Interview mit Andreas Steinmeister

Andreas Steinmeister (1950–2018) legte Ende 2004 im Daniel-Verlag ein Buch über die Geschichte der Brüderbewegung vor („... ihr alle aber seid Brüder. Eine geschichtliche Darstellung der ‚Brüderbewegung‘“). Im Gespräch mit bruederbewegung.de antwortet er auf teilweise durchaus kritische Nachfragen und beleuchtet einige entscheidende Aspekte der Veröffentlichung etwas genauer. Einzelheiten zu seiner Person können Sie auch dem von ihm ausgefüllten bruederbewegung.de-Fragebogen entnehmen.


Allgemeines zum Buch

Frage: Ziel Ihres neu erschienenen Buches, das die geschichtliche Entwicklung der Brüderbewegung zusammenfasst, ist es nach eigener Aussage, einerseits zum Denken und Weiterlesen und andererseits zu intensiverem Bibelstudium anzuregen, um in den Umständen, die heute Entscheidungen verlangen, die richtigen Entscheidungen treffen zu können (S. 64). Welche Entscheidungen meinen Sie damit?

Steinmeister: Nun, richtige Entscheidungen sind Ergebnisse von Gedanken, die sich zu einem Urteil formen. Aber wie komme ich zu Urteilen, besser: zu geistlichen Urteilen? Die Geschichte kann uns helfen, Gedankengängen von Gläubigen nachzugehen, sie anhand der Schrift zu überdenken und vor dem Herrn im Gebet auszubreiten. Heute leben wir in einem Zeitalter, das von einem postmodernen Intellektualismus einerseits und von einem in manchen Fällen starren Traditionalismus andererseits geprägt ist:

Wenn ich von Entscheidungen geschrieben habe, dann meine ich also, dass man konsequent den Willen Gottes in seinem Wort erkennen und tun möchte und dass man an Trennungen von Gläubigen, die nicht durch das Wort Gottes legitimiert sind, nicht teilnimmt, sondern Gott um Weisheit bittet, Seinen Weg zu gehen in Hingabe an Ihn und in ungeheuchelter Bruderliebe. Das kann unter Umständen auch bedeuten, sich von solchen zu trennen, die falsche Wege gehen. Mir ist natürlich völlig klar, dass dies kein einfacher Weg ist, aber einen einfachen Weg hat der Herr aller Herren, der gekreuzigte und auferstandene Christus, uns auch nicht versprochen. Verweltlichung und Gesetzlichkeit im Volk Gottes sind beide gleich zu verurteilen. Was wir dringend benötigen, ist Hingabe an und Liebe zu dem Herrn Jesus und zu Seinem Leib, Seinem Volk, nicht zu irgendeiner Denomination als solcher. Wir sollten nicht menschliche Organisationen, Benennungen, Parteien usw. verteidigen. Wir müssen dringend lernen, Christus zu befragen und Seinen Willen mit aufrichtigem und gehorsamem Herzen zu suchen und zu tun. Dazu gehört Geduld, Liebe, Demut, aber auch geistliche Festigkeit, Standhaftigkeit und die Bereitschaft, ggf. allein auf den Herrn zu harren, der uns den Auftrag gibt, mit solchen den Herrn anzurufen, die reinen Herzens sind.

Frage: Ihr Buch soll, so haben Sie es im Vorwort formuliert, dazu beitragen, dass wir „aus der Vergangenheit lernen“ (S. 10). Über viele Seiten rekapitulieren Sie im Detail Trennungen aus dem englischen Sprachraum, die sich z.T. auf Deutschland überhaupt nicht auswirkten. Wo ähneln denn die Fragestellungen, Probleme und Rahmenbedingungen von heute den damaligen? Wo kann eine Betrachtung von Diskussionen, die vor 150 Jahren geführt wurden, heute weiterhelfen?

Steinmeister: Der sog. „Brief der Zehn“ (das Dokument, das 1848 schließlich zur Trennung zwischen „offenen“ und „geschlossenen Brüdern“ führte), von werten und geliebten Brüdern geschrieben, zeigt meiner Überzeugung nach, dass eine Trennung von dem Lehrsystem der sog. „offenen Brüder“ notwendig war. Ob die Art und Weise und die Geschwindigkeit der Trennungsvorgänge im Jahre 1848 weise war, ist damit noch nicht geklärt – weder historisch noch moralisch-geistlich. Aber dass der „Brief der Zehn“ im Blick auf den Umgang mit fundamentalen Irrlehren niemals Grundlage eines Zusammenkommens nach der Schrift sein kann, ist für mich ganz klar.

Zum anderen: Die Trennung von Cronin, die Trennungen zwischen Darby und Kelly sowie zwischen Miller und Mackintosh zeigen, dass fanatisches Trennungsdenken zerstörerisch wirkt und letztlich sogar in falschen Lehren enden kann (siehe den Ravenismus und Taylorismus). Sicher haben diese Entwicklungen auch uns in unserer Zeit etwas zu sagen. Auch wir sollten uns fragen, ob Gott hinter den Trennungen, die uns in letzter Zeit betroffen haben, wirklich stehen kann. Trennung vom Bösen ist schriftgemäß, aber das Böse muss sich offen zeigen, so lange brauchen wir Geduld (siehe typologisch das Gesetz des Aussätzigen und die Geschichte Ussijas). Zudem muss bei Trennungen auch die Gesinnung Christi, die Liebe zu den Heiligen, Geduld und die Liebe zum Wort Gottes und ein intensives Gebetsleben eine entscheidende Rolle spielen. Bei manchen Trennungen hat man den Eindruck, dass sie fleischlich sind und mit Gottes Wort und dem Geist Christi nichts zu tun haben. Trennungen müssen für geistliche Christen nachvollziehbar sein. Es ist bedauerlich, dass es unter den „Brüdern“ Trennungen gegeben hat, die Jahrzehnte später als nicht schriftgemäß angesehen wurden. In diesem Sinne könnten wir aus der Geschichte lernen. Andererseits muss es auch Trennungen geben, damit falsche Lehre eben nicht eine weitere Ausbreitung findet.

Frage: Die ersten 140 Seiten, also die komplette erste Hälfte des Buches beschäftigen Sie sich mit der Entstehungsgeschichte und den Vorgängen im Mutterland der Brüderbewegung, in Großbritannien. In der zweiten Hälfte des Buches, die auf die Situation im deutschsprachigen Bereich eingeht, lassen Sie die deutsche Vorgeschichte (Carl Brockhaus, von Poseck und andere) fast völlig unberücksichtigt. Sie steigen zeitlich erst mit der Krise im „Dritten Reich“ ein. Halten Sie die kontinentale Vorgeschichte mit ihren z.T. abweichenden Prägungen (z.B. waren die deutschen Versammlungen von Anfang an eher kleinbürgerlich geprägt, während in den englischen Akademiker das Sagen hatten) und Verläufen für weniger relevant?

Steinmeister: Das Buch hat nicht den Anspruch, eine geschichtswissenschaftliche Abhandlung der sog. Brüderbewegung insgesamt zu sein, sondern sollte deutlich auf die meiner Meinung nach sich auch heute wiederholenden geistlichen Probleme der Brüderbewegung in der Vergangenheit hinweisen. Dabei ging es mir um drei wesentliche Komplexe:

  1. die Notwendigkeit der Trennung von den Denkweisen des „offenen Brüdertums“ im Blick auf die Verbindung mit Bösem;
  2. die Notwendigkeit des Nachdenkens über voreiliges und meiner Ansicht nach schriftwidriges Trennen von Versammlungen;
  3. die Notwendigkeit des Beschäftigens mit der deutschen Vergangenheit, der Entstehungsgeschichte des „Bundes“, der sog. „Freien Brüderversammlungen“ und der sog. „alten Versammlung“, wobei ich mir bewusst bin, dass nicht alles gesagt wurde.

Man kann die englische und die deutsche Brüderbewegung natürlich auch unter „bürgerlichen“ Gesichtspunkten betrachten. Vielleicht ist es so gewesen, dass manche Trennungen in Deutschland verhindert wurden, weil man eben nicht theologisch (!?) argumentierte, sondern einfältig dem Wort Gottes folgte, wobei geistliche Brüder sicherlich durch ihre Führungsfähigkeiten viel Schaden von den Versammlungen ferngehalten haben. Dabei urteile ich nicht darüber, ob die Brüder in Deutschland immer angemessen gehandelt haben. Das wird Gott einmal nach seinen Maßstäben beurteilen. Auf jeden Fall ist das akademische Studieren göttlicher Wahrheit durchaus nicht mit dem geistgewirkten Studium göttlicher Wahrheit gleichzusetzen. Ein treues, gehorsames und einfältiges Herz ist wesentlich besser als ein ausgebildeter Verstand, der das Herz auf Irrwege führt und dadurch vielleicht argumentativ brillant erscheint, aber dem Volk Gottes nur schadet. Wenn treue, im biblischen Sinn einfältige Christen, die das ganze Wort Gottes ernst nehmen, Trennungen nicht mehr nachvollziehen können, dann muss irgendetwas falsch laufen. Wir müssen lernen, einander zu tragen und zu ertragen. Und damit meine ich nicht „Augen zudrücken vor Fehlentwicklungen“ – im Gegenteil, aber eine betende und auf den Herrn wartende geistliche Grundhaltung in Gefahrensituationen und Veränderungsprozessen.


Drittes Reich

Frage: Es fällt auf, dass Sie bei Ihrer Untersuchung des Versammlungsverbots die Dissertation von Andreas Liese nicht berücksichtigt haben, die belegt, dass die Organisationslosigkeit der Versammlungen nicht der eigentliche Grund für das Verbot war. Warum haben Sie seine Auswertungen, die u.a. durch neue Aktenfunde nach der Wende möglich wurden, nicht eingearbeitet?

Steinmeister: Die Dissertation von Andreas Liese habe ich bis heute nicht gelesen, werde sie mir aber sicher noch etwas näher anschauen. Sollte es eine weitere Auflage geben, werde ich fraglos bedeutsame Aspekte aus seiner Arbeit einarbeiten.

Frage: Sie schreiben, „an sich“ sei die Monarchie „ja nicht schlechter als die Demokratie“. Wenn ein Volk „insgesamt geschwächt, moralisch deformiert und dekadent ist“, könne eine Demokratie „zur Katastrophe führen“ (S. 144). Widersprechen Sie der Auffassung (die z.B. der eben bereits genannte Andreas Liese vertritt), Christen sollten sich für die Demokratie einsetzen, da sie die freie Ausübung des Glaubens garantiere?

Steinmeister: Ich vertrete die Auffassung, dass wir als Christen für die Obrigkeit beten und ihr gehorchen sollen (1Tim 2; 1Petr 2; Tit 3). Einen Einsatz für die Demokratie (für die Monarchie, Oligarchie oder Diktatur) kann ich aus der Schrift nicht ableiten, obschon ich menschlich die funktionierende (!) Demokratie für die beste aller Staatsformen halte. Ich danke Gott für die Politiker, die uns Christen die Religionsfreiheit geben, und bete für sie, bin mir aber bewusst, dass letztlich Gott die Regenten einsetzt (selbst durch das Mittel der Wahl). Im Übrigen überlasse ich jeden Christen seinem Gewissen, das er vor Gott im Blick auf Wahl und Politik hat. Nur fände ich es schlimm, wenn in den Versammlungen ein „Einsatz für die Demokratie“ beginnen würde oder Interesse an der Bildung politischer Parteien geäußert würde. Wir sollten uns als Christen aus der Politik möglichst heraushalten, obschon wir – wie ein Botschafter aus dem Ausland – Zeugnis für Gottes Wahrheit ablegen sollen – auch Politikern gegenüber.


Interne Gefahren

Frage: Im vierten Abschnitt des Buches beschäftigen Sie sich mit der Brüderbewegung ab 1950. Genau genommen behandeln Sie dabei aber nur den Teil der „geschlossenen Brüder“. Warum gehen Sie nicht auch auf die Geschichte der Brüdergemeinden im BEFG und der „Freien Brüder“ ein?

Steinmeister: Bruder Jordy hat zu den Brüdergemeinden im BEFG und zu den „Freien Brüdern“ schon sehr viel geschrieben. Ich sah meine Aufgabe nicht darin, da ich auch zu wenig die inneren Denk- und Handlungsprozesse z.B. im BEFG kenne. Es reichte mir, einige wesentliche Aspekte zu kennen.

Frage: Zum BEFG sagen Sie, es sei klar, „dass dies niemals der von Gott gewiesene Weg sein konnte“ (S. 184). Auch den „Freien Brüdern“ sprechen Sie im Prinzip jede Existenzberechtigung ab (S. 187ff.); Sie bezweifeln, dass „sich diese Bewegung wirklich als Erbe der von Gottes Geist erweckten ‚Brüderbewegung‘ bezeichnen kann“ (S. 188). Teilen Sie den von manchen geäußerten Alleinvertretungsanspruch, nur die „alte Versammlung“ allein genüge vom theoretischen Ansatz noch der ursprünglichen Idee der Brüderbewegung bzw. löse vom theologischen Unterbau „in aller Schwachheit“ den biblischen Anspruch am besten ein?

Steinmeister: Ich teile den von manchen geäußerten Alleinvertretungsanspruch der sog. „alten Versammlung“ absolut nicht. Es ist das kollektive verabscheuungswürdige Ich, das so etwas behauptet. Allerdings glaube ich, dass viele Lehraussagen von Kelly, Darby und anderen Dienern des Herrn der schriftgemäßen Vorstellung eines Zusammenkommens von Christen nach biblischen Grundsätzen entsprechen. Ich kann mich auf jeden Fall mit den meisten Auffassungen dieser Brüder identifizieren und habe sehr viel von ihren Schriften gelernt und immer wieder anhand der Schrift geprüft. Was die Auffassungen der sog. „Freien Brüder“ betrifft, so lehne ich den „kirchlichen Weg“ ab, wenn er dem entspricht, was in dem o.g. „Brief der Zehn“ ausgedrückt ist. In dem Heft Drei aktuelle Vorträge wird von Autoren aus dem Kreis der „Freien Brüder“ gerade diese Lehre akzeptiert. Ob allerdings alle Versammlungen der „Freien Brüder“ diese Lehre vertreten, kann ich nicht sagen. Gerade die „Freien Brüder“ betonen ja oft sehr stark die Selbständigkeit der örtlichen Versammlung, und ich weiß von manchen Versammlungen, dass sie sich entschieden von Irrlehren distanzieren. Sie würden auch keinen Irrlehrer oder jemanden, der im moralisch Bösen verharrt, aufnehmen. Allerdings vertreten zumindest mehrere der führenden Brüder die Ansicht, dass man sehr wohl jemanden aus einer örtlichen Versammlung, wo fundamentale Irrlehre geduldet wird, aufnehmen kann, wenn der Besucher diese Lehre selbst nicht hat. Dabei betone ich aber, dass ich viele sog. „Freie Brüder“ kenne, die ich als meine Brüder liebe und schätze, und glaube, dass sie wirklich ganz praktisch mit dem Herrn Jesus leben. Ich lege sehr viel Wert darauf, dass man die Lehrüberzeugung (soweit sie sich mit der der „offenen Brüder“ deckt) und die persönliche Treue des Einzelnen unterscheidet. Zudem kenne ich auch Brüder unter den sog. „Freien Brüdern“, die die Lehre der „offenen Brüder“ – so wie sie im „Brief der Zehn“ verankert ist – durchaus nicht akzeptieren.

Meine Bedenken den „Freien Brüdern“ als Bewegung gegenüber will ich hier gerne artikulieren (ich betone noch einmal, dass ich mich nicht gegen die Personen als solche wende, sondern gegen Lehrprinzipien):

Alle diese Entwicklungen bereiten mir ernste Sorgen. Große Sorge habe ich auch davor, dass unsere Kinder irgendwann auf den Kirchenbänken sitzen, die unsere Väter verlassen haben. Das hat mir mein Onkel, der Pastor in Lippe war, schon vor 25 Jahren gesagt.

Ich glaube nicht, dass die sog. „alte Versammlung“ (schrecklicher Ausdruck!) in ihrem „theoretischen“ (besser: geistlichen) Ansatz an allen Orten der ursprünglichen Idee der „Brüderbewegung“ entspricht. Wir alle sind abgewichen, sind weltlich geworden, haben den Herrn Jesus aus den Augen verloren, denken viel zu parteiorientiert, anstatt hauptorientiert zu denken und zu leben (Kol 2,19). Manchmal frage ich mich, wie der Herr wohl über unser Gebetsleben denkt, wie er über unser persönliches Leben mit seinem Wort denkt. Wir haben uns absolut nicht zu rühmen, sondern sollten uns über unser Versagen demütigen, indem wir bekennen (gerade wir als Geschwister der sog. „alten Versammlung“), dass wir versagt haben, oft lieblos gewesen sind und den Herrn nicht vor unseren Herzensaugen hatten. Gleichzeitig sollte uns Kompromisslosigkeit im Blick auf klare Aussagen in der Schrift kennzeichnen. Das Schulterklopfen der Welt und auch der Christenheit, auch der evangelikalen Christenheit, indem sie darum bettelt, klare biblische Positionen aufzugeben, ist eine der großen teuflischen Versuchungen unserer Zeit.

Frage: Auch in der „alten Versammlung“ sehen Sie einige Gefahren von innen: u.a. unnötige Trennungen, ungerechtfertigte Ausschlüsse sowie zentralistische Tendenzen. Sie schildern Enttäuschungen und Desillusionierung. Genügt die „geschlossene Versammlung“ ihrem eigenen noch immer vertretenen Ideal noch in der Praxis? Ist sie der „neutrale Boden abseits aller Benennungen“, der sie zu sein vorgibt, oder hat sich längst ein informelles System eingeschlichen?

Steinmeister: Ich befürchte sehr, dass die „geschlossene Versammlung“ ihrem eigenen noch immer vertretenen Ideal in der Praxis nicht mehr genügt. Aber das Urteil ist natürlich sehr subjektiv. Ich glaube, dass viele Brüder es wirklich sehr ernst meinen. Sie wollen sich dem Verweltlichungstrend und den vielen falschen Lehren, die immer mehr in allen möglichen Freikirchen um sich greifen, mit Entschiedenheit entgegenstellen, sie wollen wirklich Gott gehorchen und für die Wahrheit eintreten. Mein Gebet und mein Wunsch ist, dass diese Versammlungen zurückkehren zu dem „biblischen Boden abseits aller Benennungen“ mit einem weiten Herzen auf schmalem Pfad, mit Liebe zu allen Heiligen und in Absonderung vom Bösen, in Hingabe an den Herrn, verbunden mit echtem Evangelisationseifer und in aufrechter Fürsorge für ihre Mitgläubigen und Mitmenschen. Sehr gerne würde ich erleben, dass die Grundsätze des Anfangs der „Brüderbewegung“ und die geistliche Energie sich kurz vor dem Kommen des Herrn Jesus noch einmal entfalten könnten. Aber dazu muss ein intensiver Gebetsgeist erwachen, dazu muss man in allem zurückkehren zur Schrift und sich von der Liebe Christi erfüllen lassen, die allein in der Lage ist, geistlich zu handeln. Dazu muss auch eine offenere Haltung treuen Christen gegenüber vorhanden sein, ein geistlicher Wille, alle Heiligen aufzunehmen, die den Herrn mit reinem Herzen anrufen wollen.

Absonderung von der Welt ist mehr als äußeres Handeln nach biblischen Aussagen. Ich finde es gut und richtig und schriftgemäß, wenn Schwestern ungeschnittene Haare tragen, sich beim Gebet und beim Weissagen bedecken, aber ich finde es erschreckend, wenn dies alles nur „um der Brüder willen“ gemacht wird, wenn keine „Wahrheit im Innern“ vorhanden ist, wenn man sagt, dass die Brüder das so wollen. Absonderung von der Welt bedeutet auch, dass man seinen Wohlstand nicht zur Schau trägt. Bedauerlich finde ich es, dass viele Christen gerade das an uns bemängeln. Wir bekennen unsere Himmelsbürgerschaft, aber in der Praxis leben wir im Luxus. Andererseits freue ich mich auch darüber, dass sehr viel für das Werk des Herrn gespendet wird. Trotzdem sollten wir alle daran denken, dass die Welt nicht unser Zuhause ist.

Frage: Den Ausdruck „geschlossene Versammlung“ benutzen Sie „nur zur Unterscheidung von den ‚offenen Brüdern‘“, da er „niemals von den Brüdern und Schwestern, die sich dieser ‚Bewegung‘ zugehörig fühlen, selbst gebraucht wird“ (S. 11); die Gruppenbezeichnung „geschlossene Brüder“ lehnen Sie deutlich als „verfehlt“ ab, da er „die geistliche Haltung der damaligen ‚Brüder‘ nicht angemessen beschreibt“ (S. 92, auch 191). Aber: In Fragen der Gastzulassung von Angehörigen anderer Gemeindegruppen, die von Ihnen auch als Maßstab der Offenheit genannt wird, ist m.E. heute keine besonders große Flexibilität mehr erkennbar, im Gegenteil ist eine große Angst vor Verunreinigung oder vor „überregionalem politischen Druck“ erkennbar. Trifft die Bezeichnung „geschlossene Brüder“ denn heute nicht doch recht gut auf die vorherrschende Haltung unter den tonangebenden Brüdern dieser Gruppierung zu?

Steinmeister: Ich glaube, dass es nie gut ist, von „den tonangebenden Brüdern“ zu sprechen. Es gibt sicher Brüder, die wirklich „geschlossene Brüder“ sind, nicht nur geschlossen für alles das, was schriftwidrig ist, sondern auch für alles das, was anders und vielleicht sogar richtiger und schriftgemäßer ist. Die „Angst vor Verunreinigung“ oder vor „überregionalem Druck“ vieler Geschwister kann nicht geleugnet werden. Ich selbst kann die Sorge vieler Brüder vor einer Fehlentwicklung sehr gut nachvollziehen, allerdings habe ich große Mühe mit bestimmten Vorgehensweisen. Andererseits muss man mit großem Bedauern feststellen, dass natürlich auch in Freikirchen zunehmend mehr ein Mangel an biblischer Zuchtausübung vorherrscht. Zudem breitet sich die gemäßigte Bibelkritik mit rasanter Geschwindigkeit aus, und das Gedankengut der charismatischen Bewegung macht leider auch nicht Halt vor den sog. „Brüderversammlungen“. Insofern kann man eine übertriebene Angst mancher Brüder vor „Verunreinigung“ (Beeinflussung) zumindest verstehen. Ich glaube aber nicht, dass „übertriebene Angst“ Ausdruck eines vom Geist erfüllten Glaubenslebens ist. Doch hier fühle ich, dass es eben gerade das ist, was heute sehr fehlt: ein Leben aus Glauben, ein Leben mit geistlichem (nicht formalem) Unterscheidungsvermögen.

Was die Aufnahme von Gläubigen aus christlichen Benennungen angeht, gibt es sehr wohl „Flexibilität“ (?!). Gerade heute nahm bei uns eine Schwester aus einer Gruppe von Christen am Brotbrechen teil, die nicht in „regelmäßiger Gemeinschaft“ mit „uns“ ist. Allerdings führten wir als Brüder mit dieser Schwester ein ausgiebiges Gespräch über lehrmäßige und moralische Fragen und sprachen offen über alles. Wenn wir als Brüder einmütig sind, schlagen wir die Person der örtlichen Versammlung zum Brotbrechen vor. Ich glaube, dass dies auch in manchen anderen Versammlungen heute praktiziert wird.

Sie gebrauchten den Begriff „Flexibilität“. Es geht allerdings gar nicht um Flexibilität, es geht überhaupt nicht um uns (wer sind wir?), es geht um den Herrn Jesus, um seinen Tisch. Wir müssen Ihn befragen, und Er gibt Antwort. Wir lassen doch nicht zum Tisch des Herrn zu, sondern Er. Wir befragen Ihn, und Er antwortet. Das haben wir oft erfahren. Manchmal hat man den Eindruck, als ob mehr und mehr Christen die Teilnahme beim Brotbrechen als eine Art Gemeindemitgliedschaft ansehen. Das ist bedauerlich und schlimm. Es geht um den Herrn Jesus Christus und nicht um Menschen; es geht um Seinen Tisch und nicht um „unsere“ (!?) Gemeinde.

Frage: Sie sprachen eben von einem „weiten Herzen auf schmalem Pfad“. Ähnlich formuliert plädieren Sie in Ihrer Publikation ebenfalls für eine „weite Gesinnung in der konsequenten Nachfolge des Herrn“ (S. 94). Wie äußert sich denn ein „weites Herz“ konkret? 

Steinmeister: Ein „weites Herz“ denkt nicht an sich, sondern an Gott, ist erfüllt mit dem Willen Gottes und mit echter Bruderliebe, sucht das Gespräch mit dem Bruder, wenn es um Aufnahme z.B. zum Brotbrechen geht, um echte geistliche Gemeinschaft zu erleben. Ein „weites Herz“ kann Unwissenheit tragen und freut sich darüber, wenn Gläubige durch den Wunsch, am Brotbrechen teilzunehmen, einfach den Willen des Herrn erfüllen möchten. Ein „weites Herz“ verschließt sich nicht vor den Gläubigen, sondern wünscht den Austausch, um zu lernen. Ein „weites Herz“ möchte dem Wort Gottes nichts hinzufügen und nichts wegnehmen. Es ist aber fest, wenn es um den geoffenbarten Willen Gottes geht, und möchte sich nicht mit falscher Lehre oder moralisch Bösem verbinden. „Die Liebe ist langmütig, ist gütig ... Sie freut sich nicht mit über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit“ (1Kor 13).

Frage: Sie bezweifeln aber offenkundig selbst, dass die Brüder der „geschlossenen Versammlungen“ ein „weites Herz für alle wahren Christen“ (S. 60) wie die von Ihnen genannten Trotter, Darby oder Kelly behalten haben (S. 94). Wie kann man diese verloren gegangene Offenheit wieder verstärken? Sie selbst sagen: „das müssen wir wieder ganz neu lernen“, z.B. bei Gästen, die um Aufnahme bitten, vorrangig „das geistliche Wohl“ des anderen und das Gespräch mit ihm zu suchen (S. 254). Wie kann das wieder mehr gelingen?

Steinmeister: Die Beantwortung dieser Frage ist nicht ganz einfach. Eine geistliche Offenheit sucht bei dem Wunsch, mit dem anderen das Brot zu brechen, den Willen Gottes. Es geht ja nicht um ein formales Teilnehmen am Abendmahl. Es geht auch nicht um eine Vereinsmitgliedschaft, sondern um eine echte, durch den Herrn geprägte und in der Kraft des Heiligen Geistes ausgeübte Gemeinschaft. Es ist auch sinnlos, einfach Offenheit dadurch zu bezeugen, dass man jeden, der vorbeikommt, aufnimmt. Die „verloren gegangene Offenheit“ erlangen wir nicht dadurch wieder, dass wir uns christlichen Trends anschließen, sondern indem wir einfach in den „Werken wandeln, die Gott zuvor bereitet hat“. Wir müssen ganz neu lernen, Gottes Willen in unserem Leben zu leben und in den Versammlungen zu verwirklichen. Dringend müssen wir lernen, das Gute, das Geistgewirkte, das durch Treue zum Herrn Jesus ausgeübte Werk bei anderen Gläubigen mit Freuden anzuerkennen und – soweit es in Übereinstimmung mit schriftgemäßen Grundsätzen ist – daran teilzunehmen, ohne das Verständnis von dem Zusammenkommen als örtliche Versammlung in Verbindung mit anderen örtlichen Versammlungen (so wie die Schrift es meiner Überzeugung nach klar darlegt) preiszugeben. Es ist ein großer Irrtum, wenn wir meinen, durch mehr Offenheit geistlich besser dazustehen. Nein, das persönliche Leben der einzelnen Gläubigen mit dem Herrn ist die beste Voraussetzung dafür, auch anderen Gläubigen zu zeigen, dass wir offen für alles Gute, aber eben geschlossen für alles Böse und Falsche, was sich in die Christenheit zunehmend einschleicht, sind.

Frage: Ihre geschichtliche Darstellung macht im ersten Kapitel noch einmal den Ausgangspunkt der Brüderbewegung zu Beginn des 19. Jahrhunderts deutlich: Die damaligen Kirchen und Freikirchen waren „abgeschlossene Systeme“ mit einer „geschlossenen Abendmahlsgemeinschaft“ (S. 16) und einer alles dominierenden klerikalen Spitze. Das revolutionäre Neue der beginnenden Brüderbewegung war dagegen v.a. der antihierarchische Impuls sowie die Offenheit über denominationelle Grenzen hinaus. Die Situation der Freikirchen heutzutage unterscheidet sich aber von der damaligen deutlich, wie Sie selber betonen (auf S. 50 etwa relativieren Sie ein Zitat von Darby „der Boden der Freikirchen“ mit dem Klammerzusatz „so wie sie damals handelten“). In vielen Freikirchen verstehen Pastoren ihre Rolle mehr als Koordinator der verschiedenen Gaben der Mitarbeiter und nicht als „Alleinunterhalter“; verschiedene Laien-Mitglieder predigen z.B. oder arbeiten seelsorgerlich mit; selbst das Abendmahl wird in Freikirchen auch von Laien ausgeteilt. Zwischen den Freikirchen (z.B. zwischen Freien evangelischen Gemeinden und Baptisten) besteht wechselseitige Gemeinschaft und Zusammenarbeit. Die „geschlossenen Brüder“ dagegen schotten sich heutzutage eher ab; de facto besteht jetzt bei ihnen eine geschlossene Abendmahlsgemeinschaft. Wie erklären Sie sich diese gegenläufige Entwicklung? Ist durch die Veränderung in den Freikirchen eine wesentliche Ausgangsmotivation zur Entstehung der Brüderbewegung inzwischen hinfällig geworden?

Steinmeister: Die Tatsache, dass in den Freikirchen der Pastor nicht mehr Alleinunterhalter ist, zeigt noch nicht, dass diese auf einem guten Weg sind. Die Öffnung für die charismatische Bewegung, für das Amt der Frau in der Gemeinde (Pastorinnen, Ältestinnen), für eine zunehmende Vernachlässigung biblischer Zucht ist offensichtlich und macht es vielen Brüdern schwer, solche, die von diesen Freikirchen kommen, zum Mahl des Herrn aufzunehmen, wenn sie nicht mit dem nachweislich Falschen in ihren Gemeinden brechen wollen. Die demokratische Wahl von Ältesten, überhaupt der von Menschen mehr oder weniger organisierte Gottesdienst sowie die Mitgliedschaft z.B. der Baptisten im Weltbund der Baptisten (Zulassung von homosexuellen Pastoren!) macht Gemeinschaft immer schwieriger. Allerdings gibt es auch zunehmend mehr freiere Kreise, die sich von Bünden distanzieren und gern nach biblischen Prinzipien zusammenkommen möchten. Mit solchen Geschwistern sollten Kontakte geknüpft werden, und man sollte der Frage nachgehen, ob es wirklich biblische Gründe gibt, diese Gläubigen und ihre Zusammenkünfte abzulehnen. Meiner Ansicht nach muss man gerade in unserer Zeit wirklich geistlich, d.h. schriftgemäß, urteilen und vorsichtig sein, vorschnell anderen „die Hände aufzulegen“ (1Tim 5,22). Ich kann manche Brüder gut begreifen, wenn sie vor einer zu schnellen Teilnahme am Brotbrechen warnen, aber ich kann sie nicht verstehen, wenn sie aus Angst vor Verunreinigung Gespräche abblocken. Angesichts einer zunehmenden Verweltlichung der Evangelikalen und eines Um-Sich-Fressens von Irrlehren unter den Evangelikalen wird es nicht einfacher mit der Frage: Wen möchte der Herr praktisch an seinem Tisch sehen?

Frage: Sie betonen, im 19. Jahrhundert sei die Offenheit für andere Christen einfacher gewesen, da „in vielen Kirchen und Freikirchen ja überhaupt keine grundlegend falschen Lehren verkündigt“ (S. 17) wurden; heute dagegen gebe es in vielen Kirchen und Freikirchen viele Irrlehren (S. 60) – einige haben Sie bereits konkretisiert. Aber liegen die Hürden nicht auch ziemlich hoch? Sie selbst äußern Bedauern, dass Sie mit verschiedenen externen Geschwistern keinen gemeinsamen Weg gehen konnten, da dieser an Zulassungsschwierigkeiten scheiterte (S. 210). Besteht in Versammlungen der „geschlossenen Brüder“ überhaupt die Möglichkeit, dass neu entstandene Kreise oder zumindest temporäre Besucher aus externen Kreisen akzeptiert werden, wenn diese nicht den internen Gewohnheiten, Gepflogenheiten, Ansichten und Normen entsprechen bzw. als Gemeinde in dem internen „Verzeichnis“ gelistet sind?

Steinmeister: Ich persönlich würde „verzeichnisorientierte“ Aufnahmen schlichtweg als fleischlich bezeichnen. Ein Verzeichnis wird von Menschen gemacht und beinhaltet nicht, ob der Herr sich zu diesem Zusammenkommen bekennt. Die Aufnahme zum Brotbrechen muss durch geistliches Denken geschehen. Wer gern am Brotbrechen teilnehmen möchte, hat grundsätzlich als Glied am Leib Christi ein Anrecht darauf. Nur wenn in einem Gespräch deutliche Hinweise auf Sünde erkennbar sind, darf man das Brot verweigern, weil der Herr Jesus es verweigern würde. Aber die Entwicklung vieler Freikirchen zeigt, dass negative, unbiblische Einflüsse zunehmen, daher ist viel Vorsicht geboten. Trotzdem muss die Möglichkeit bleiben, nach einem Gespräch Gläubige aufzunehmen, wenn sie moralisch und in lehrmäßigen Fragen rein sind und auch nicht in Beziehung stehen (wollen) zu Gemeindegruppen, die fundamental Böses dulden.

Frage: In Ihrer Publikation zählen Sie skurrile interne Normen der „Raven-Brüder“ auf (S. 128f.). Haben „geschlossene Versammlungen“ nicht auch eine Vielzahl (ungeschriebener) Regeln (Äußerlichkeiten wie Rock, Zopf, Krawatte, getrennte Sitzordnung, Gottesdienstordnung usw.)?

Steinmeister: Es ist wahr, dass man in den Versammlungen sehr gern Schwestern mit Röcken (Kleidern) sieht. In gewisser Hinsicht ist das auch eine „ungeschriebene Regel“, die ich übrigens sehr gut finde (!). Es ist erfreulich, wenn gläubige Frauen auch in unserer Zeit noch von weitem als Frauen erkannt werden. Ich finde es schlimm, dass manche gläubigen Brüder und Schwestern verächtlich über solche Schwestern reden, die immerhin noch den Mut aufbringen, Kleidungsstücke zu tragen, die frauentypisch sind, denn kein Mann zieht bei uns Röcke oder Kleider an. Meiner Überzeugung nach beweist das nur eine mangelhafte Fähigkeit, den Bruder oder die Schwester zu lieben, obwohl man sonst viel von Liebe redet. Andersherum ist es auch schlimm, wenn Frauen, die keine Hosen tragen, stolz auf ihre äußere Frömmigkeit sind. Man sieht also, alles kann fleischlich benutzt werden.

Der „Zopf“ ist allerdings keine „ungeschriebene Regel“; wohl sagt die Schrift, dass Frauen „lange Haare“ tragen und sich beim Beten und Weissagen bedecken sollen (1Kor 11). Welche Freude für die Engel, wenn sie auch heute noch Frauen sehen, die aus Liebe zum Herrn Jesus diese Dinge ausüben – auch wenn sie von progressiven Mitgläubigen belächelt werden! Ich freue mich auf jeden Fall über alle Christinnen, die den Mut haben, gegen den Trend der Zeit aus Liebe zu ihrem Herrn konsequent zu leben.

Das Krawattetragen ist in vielen Versammlungen durchaus nicht üblich. Eine getrennte Sitzordnung kann nützlich sein, bei uns sitzen auch teilweise Frauen neben Männern. Die Schrift sagt dazu nichts. Eine Gottesdienstordnung ist mir nicht bekannt.

Frage: Sie selbst sprechen von Aufnahmebedingungen, die „von vielen Christen nicht verstanden werden“ (S. 228), und von einer „einheitliche[n] Handlungsweise in den verschiedenen Versammlungen“ (S. 59). Ist es so schwer, bei nicht grundlegenden Themen eine gewisse Bandbreite an Auslegungsvarianten und Verständnissen zu akzeptieren? 

Steinmeister: Was sind nun eigentlich „Bandbreiten und Auslegungsvarianten“? Sie kennen sich sicher gut im evangelikalen Lager aus. Vieles fing mit Auslegungsvarianten, mit unterschiedlichen Denkansätzen an, und schon nach geraumer Zeit duldete man auch offensichtliche Bibelkritik oder öffnete sich für schriftwidrige Entwicklungen. 1Kor 1,10 sollte angestrebt werden.

Frage: Wie soll man als junger Mensch mit einer eventuellen Überregulierung umgehen, wenn diese die Vielfalt teilweise durchaus denkbarer unterschiedlicher Bibelauslegungen ignoriert und vielleicht über das klar in der Bibel erkennbare Maß hinausgeht? Sie klaglos akzeptieren und sich unterordnen? Oder auf Veränderungen drängen? 

Steinmeister: Die Schrift sagt: „Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen“, und andererseits: „Ihr Jüngeren, seid den Älteren untertan.“ Und sie sagt auch, dass „das inbrünstige Gebet eines Gerechten viel vermag“. In jedem Fall ist für den Glauben und die Liebe manches möglich, was für das rebellische Herz unmöglich ist. Von der Ungerechtigkeit muss man abstehen, aber man frage sich genau und frage Gott, wann etwas „Ungerechtigkeit“ genannt werden darf. Um genauer antworten zu können, müsste man „Fälle“ kennen, aber ich glaube nicht, dass das Internet ein guter Platz dafür ist.


Externe Gefahren

Frage: Sie zählen einige externe Faktoren auf, die Sie als gefährliche Einflüsse auf den „wirklich bibeltreue[n] Christen“ (S. 230ff.) bezeichnen. Sie steigern die in evangelikalen Kreisen häufiger zu hörende Bezeichnung „bibeltreuer Christ“ sogar noch zum „wirklich bibeltreuen Christen“. Wann ist ein Christ ein „wirklich bibeltreuer“? Kann man dauerhaft als Person „bibeltreu“ sein? Oder kann man nur sein Bemühen, es im praktischen Denken und Verhalten zu sein, äußern?

Steinmeister: Unter einem wirklich bibeltreuen Christen verstehe ich einen wiedergeborenen und dem Herrn Jesus nachfolgenden Christen, der die Bibel als verbalinspiriertes, irrtumsloses Wort Gottes akzeptiert. Ich habe bewusst die Begriffe „verbalinspiriert“ und „irrtumslos“ gewählt. Dabei setze ich voraus, dass sich dieser Christ um die Nachfolge bemüht und sicher immer wieder sein Versagen bekennen muss. Das „Bibeltreu-Sein“ sollte natürlich auch unser praktisches Leben kennzeichnen.

Frage: Mit einigen Ihrer Einschätzungen habe ich meine Probleme; ich kann z.B. Ihre pauschale Verurteilung von ProChrist nicht ganz nachvollziehen. Ich kenne persönlich mindestens ein Dutzend Personen, die durch ProChrist zum Glauben gefunden haben und inzwischen verbindlich einer Gemeinde angehören. Sie warnen dagegen vor der Gefahr der „Ökumenisierung“ durch die ProChrist-Bewegung. Wiegt der erkennbare Erfolg (fromm gesprochen: Segen) nicht solche Bedenken auf?

Steinmeister: Überhaupt nicht! Ich freue mich, wenn Tausende von Menschen durch ProChrist zum Glauben finden würden, aber Erfolg heiligt nicht die Mittel. Im Dritten Reich sind viele Menschen durch Evangelisationen, die von Benennungen organisiert wurden, die das NS-Regime bejahten, zum Glauben gekommen; andere Gläubige arbeiteten im Verborgenen und wurden ins Gefängnis oder auch ins KZ gesteckt. Auch in der katholischen Kirche kommen Menschen zum Glauben, und es gibt dort gewiss sehr viele wiedergeborene Christen, aber deswegen lehne ich das System dennoch völlig ab. Ich kann für die verkündigte Botschaft beten, aber nicht für die Organisation.

Wenn ich ProChrist als Organisation ablehne, dann spreche ich nicht den vielen Mitarbeitern ihren Glauben, ihr aufrichtiges Bemühen, Menschen für den Herrn zu gewinnen, ab, sondern lehne die Art und Weise, die Methode und die Art der Zusammenarbeit mit Katholiken, Charismatikern usw. ab. Wenn der Evangelist Ulrich Parzany für die Zusammenarbeit von Pietisten, Charismatikern und Katholiken eintritt und behauptet, dass das nicht ohne Folgen bleiben werde, dann wird er Recht behalten (ideaSpektrum 20/1995, S. 16) – nur welche Folgen? Immerhin konnte der EKD-Vorsitzende Kock, der offen für Homo-Ehen ist und für eine interreligiöse Ökumene eintritt, am 19. März 2003 als Interviewgast bei ProChrist auftreten, und auch die ACK bejaht ProChrist. Das Schulterklopfen der religiösen Welt wird ProChrist zum Verhängnis werden. Aber ich freue mich, dass Menschen, die sich durch die Verkündigung des Wortes Gottes bei ProChrist-Veranstaltungen bekehren, der Versammlung (Gemeinde) Gottes hinzugetan werden, hoffe allerdings auch, dass sie wirklich geistlich gut versorgt werden und nicht durch die Allversöhnungslehre, durch Marienhuldigung, eine falsche Lehre über die Geistestaufe, falsche Lehre über die Schöpfung und die Schöpfungsordnung in die Irre gehen und diversen bibelkritischen Lehren zum Opfer fallen.

Leider wird die religiöse Vermischung durch ProChrist vehement vorangetrieben. Wer es jetzt noch nicht sieht, wird es vielleicht niemals mehr sehen. An dieser Stelle empfehle ich das Buch Projekt Einheit (Betanien Verlag). Ich hoffe, dass Sie meine Offenheit ertragen können.

Frage: Sie warnen ebenso deutlich vor einer „Psychologisierung der Seelsorge“ (S. 233). Ihre Argumentation scheint hier etwas wackelig; Sie zitieren lediglich eine anonyme Einzelstimme für Ihre pauschale Beurteilung. Besteht nicht gerade in Brüdergemeinden ein enormes Defizit im Bereich seelsorgerlicher Betreuung? Ist es nicht häufig so, dass Geschwister nach der Aufnahme zum Brotbrechen überhaupt nicht mehr betreut oder angeleitet werden?

Steinmeister: In der Tat fehlt es an biblischer Seelsorge in den „Versammlungen“ (und nicht nur hier), aber das bedeutet nicht, dass die Psychologisierung (besser: Psychotherapeutisierung) der Seelsorge gottgewollt und geistlich ist. Ich kann dazu nur die Bücher von Adams, Antholzer und Owen empfehlen.

Frage: Im Kontext mehrerer Gefahren (charismatische Bewegung, theologischer Liberalismus, Feminismus, christlicher Mystizismus) warnen Sie vor den geänderten Ansichten Willem J. Ouweneels. Ab welchem Punkt konnten Sie seinen Reformideen nicht mehr folgen? Sein erneutes Nachdenken über die „Grundsätze des Zusammenkommens“ Anfang der 90er Jahre dürfte doch nicht weit von Ihren Auffassungen entfernt gewesen sein?

Steinmeister: Als ich das erste Mal hörte, dass er seine Auffassung über die Irrtumslosigkeit der Bibel verändert hatte, wurde ich misstrauisch. Beim Lesen seiner philosophischen und theologischen Dissertation wurde mir klar, dass sich sein Denken im Blick auf seine bis dahin vertretene Apologetik verändert hatte. Als er dann mit Traumdeutungen im Licht Jung’scher Interpretationskategorien begann, distanzierte ich mich grundsätzlich von ihm. Auch seine Bücher über das Weibliche in Gott, das einherging mit einer Veränderung seiner Auffassung über die Frau in der Gemeinde, kann ich absolut nicht nachvollziehen. Inzwischen redet er in Zungen und öffnet sich mehr und mehr der charismatischen Bewegung. Zudem: Wenn man sein Buch Geneest de zieken einmal durchgelesen hat, begegnen einem Namen wie William Branham, Paul Yonggi Cho, John Wimber, Agnes Sanford, Tommy Lee Osborn, Oral Roberts, Kathryn Kuhlman, Benny Hinn, Kenneth E. Hagin, G. Bennett, Rodney Howard-Browne. Wer diese Heiler nicht kennt, wird sich weniger Gedanken darüber machen, aber wer ihre Namen und Handlungsweisen aus Filmen oder Büchern kennt und ihre Lehren ein wenig studiert hat, ist zutiefst erstaunt, dass Ouweneel sie so problemlos positiv zitiert – ganz besonders, wenn man bedenkt, wie er in seinem Buch Het domein van de slang über Branham und Kuhlman geschrieben hat. In Geneest de zieken zitiert er die genannten Heiler immer wieder positiv und schreibt auf S. 287 Folgendes:

„Ich selbst habe erlebt, dass Menschen, die den TV-Bildschirm berührten, auf den Boden sanken (einige würden sagen: im Geist fielen) und Mühe hatten, wieder aufzustehen, auch Personen, die dieser Berührung gegenüber kritisch eingestellt waren. Später beschrieben die Leute diese Erfahrung als ekstatisch und läuternd“ (S. 287).

Wenn also ein Heilungsprediger im Fernsehen spricht und man das Gerät berührt, so könne Gott durch seinen Geist – nach Ouweneel – Heilung geben. Er vergleicht diesen Heilungsweg dann mit Apg 19,11f. und 2Kö 4,29.31 und nennt es „Heilung durch Kontaktpunkte“ (S. 287).

Auf S. 332 schreibt Ouweneel:

„Wenn viel dynamis (Kraft) im Dienst ist, können sehr viele Menschen schon allein dadurch im Geist fallen, wenn beispielsweise auf sie geblasen wird; ich habe das mehrmals bei verschiedenen Dienern erlebt. Aber die dynamis kann dadurch auch ‚verbraucht‘ werden. Wenn der Diener wirklich abhängig vom Herrn ist und auf seine Stimme hört, kann die dynamis stattdessen auch für Wiedergeburt, Erbauung, Heilung und/oder Befreiung gebraucht werden.“

Wahrscheinlich denkt er hier an Benny Hinn. Es ist erschreckend, wenn man solch einen Unsinn aus der Feder eines so begabten Bibellehrers liest. Ich bin einfach nur traurig darüber. Der Herr selbst wird über ihn und meine Kritik an seinen neuen Lehren das letzte Wort sprechen. Darüber kann ich mich nur freuen und dem Herrn danken.

In der Tat liegen seine Gedanken in dem Heft Aus der Praxis des Versammlungslebens ganz nahe bei meinen Gedanken. Aber seine augenblicklichen Wege kann ich absolut nicht akzeptieren und hoffe betend, dass der Herr ihn davon zurückholt.

Frage: Glauben Sie, deutsche Brüdergemeinden werden in den nächsten Jahren denselben Weg gehen wie die meisten holländischen?

Steinmeister: Ich hoffe nicht, aber ich befürchte, dass es an manchen Orten so sein wird. Verführung beginnt sehr subtil, manchmal einfach mit bestimmten Songs, die seelisch aufpeppen, dann mit einer langsamen – fast unmerklichen – Veränderung des Gottesdienstes bei gleichmäßiger Abnahme des Besuchs der wöchentlichen nüchternen Gebets- und Bibelstunden und einem mehr und mehr „eventorientierten“ Gästegottesdienst. Sollten die neuesten Bücher von Ouweneel im Deutschen erscheinen, werden wir weitersehen.


Über das Finden persönlicher geistlicher Positionen

Frage: Sie betonen deutlich die Gefahr, dass wir uns zu leicht von „Lehrern und ihren Auslegungen, von Bibelübersetzungen, von Traditionen, von Ereignissen, von Familienbanden und freundschaftlichen Beziehungen und auch von Geld“ beeinflussen lassen, da wir dadurch oft ein Vorverständnis entwickeln, „das uns zumindest beeinflusst, manchmal auch stark bestimmt, sodass wir die Schrift nicht mehr in Ruhe zu uns sprechen lassen können. Dann prägt unser Vorverständnis auch unser Verständnis mit“ (S. 63). Plädieren Sie also für einen weiten Horizont statt Scheuklappen, für einen bewussten Kontakt zu Andersdenkenden oder auch Lektüre von Publikationen, in denen abweichende Positionen vertreten werden, um Alternativen überhaupt erst kennen lernen zu können, um gedankliche Inzucht und geistliche Monokultur vermeiden zu können?

Steinmeister: Ich habe mehr Bücher von Gläubigen gelesen, die einen anderen „kirchlichen Weg“ gehen, als von solchen, die meiner Überzeugung sind. Allerdings würde ich sehr empfehlen, zunächst einmal die Lektüre von Brüdern wie Darby, Kelly, Mackintosh, Chr. Briem, A. Remmers und anderen zu lesen. Ich glaube, dass man sehr viel daraus lernen kann. „Gedankliche Inzucht und geistliche Monokultur“ – wie Sie es nennen, ich wäre vorsichtiger in der Formulierung – sind meiner Überzeugung nach heute nicht so zu befürchten wie gedankliche Unzucht, Zunahme von Ehescheidungen und Familienzerstörungen und fleischlicher Pluralismus, verbunden mit einem rasanten Anstieg pragmatischen und relativistischen Denkens in theologischen Fragen.

Frage: Offenkundig aus eigener Erfahrung schreiben Sie, dass man in der Regel nicht hinterfragt, „wo man aufgewachsen ist und was man einige Jahre, manchmal einige Jahrzehnte lang gelernt hat“. Es sei ein „ungemein schwerer und heilsamer Prozess, [...] dem Herrn die verschiedenen Einflüsse im Gebet hinzulegen und sie im Licht göttlicher Wahrheit zu prüfen, um dann ganz neue Überzeugungen zu gewinnen oder aber die bisherigen weiter anzuerkennen und geistlich gesichert zu wissen“ (S. 63). In welchen Bereichen haben Sie selber in den letzten Jahren umdenken müssen?

Steinmeister: Vor etwa 14 Jahren habe ich erkannt, dass die Lehre, dass ein falscher Ausschluss einer anerkannten Versammlung auf jeden Fall von Gott anerkannt wird, falsch und Gott verunehrend ist. Außerdem habe ich mich neu mit dem Thema „Abhängigkeit von örtlichen Versammlungen“ befasst und bin zu der Überzeugung gekommen, dass ich diesen Ausdruck persönlich nicht verwenden werde. Versammlungen haben Gemeinschaft untereinander, sind verbunden miteinander, aber sind allein abhängig vom Herrn, dem Haupt der Versammlung.

Frage: Was war der Auslöser für dieses Umdenken?

Steinmeister: Ausschlüsse, die meiner Überzeugung nach nicht die Anerkennung des Herrn haben, und Trennungen von Versammlungen, die meiner Überzeugung nach nicht gottgewollt waren.

Frage: Kritisches Nachdenken wird m.E. in konservativen Kreisen eher als Risiko gesehen (siehe „Stündchenbewegung“ vor dem Zweiten Weltkrieg) und demzufolge weder gerne gesehen noch gefördert. Von der nachwachsenden Generation wird trotz teilweise höherer Bildung Unterordnung und gedankliche Anpassung gefordert. Sehen Sie einen individuellen Weg der eigenständigen Überprüfung möglicher Alternativen als notwendigen Prozess zu einem fundierten persönlichen Glauben an?

Steinmeister: Ich glaube, dass man die Wahrheit nicht dadurch erkennt, dass man sich ständig mit Falschem befasst, sondern dass man Gottes Wort liest und das Erkannte in seinem Leben umsetzt, dabei aber immer offen für geistliche Korrektur bleibt. Wenn man mit dem Herrn lebt, wird man allerdings Auseinandersetzungen haben. Und diese können dazu dienen, dass man sich immer wieder selbstkritisch mit seiner Erkenntnis auseinander setzt. Doch der Herr kann durch seinen Geist und mittels Gebet auch zunehmend Festigkeit bewirken, sodass man „völlig überzeugt in allem Willen Gottes“ (Kol 4,12) ist.

Ihre Aussage darüber, dass von der nachwachsenden Generation trotz höherer Bildung Unterordnung und gedankliche Anpassung gefordert wird, zeigt mir, dass der sog. „höheren Bildung“ zu viel Wert beigemessen wird. Selbstverständlich lehrt die Bibel eine Unterordnung der jüngeren Generation unter die Älteren und warnt davor, dass Neulinge Ältestendienst ausüben. Wenn jüngere Leute auch heute „trotz höherer Bildung“ etwas mehr auf ältere Brüder und Schwestern hören würden, wäre das gewiss auch ein Segen. Was hat höhere Bildung überhaupt in geistlichen Fragen zu suchen? „Die Furcht des Herrn ist der Erkenntnis Anfang“ (Spr 1,7). Man sollte dazu Bibeltexte wie Mt 11,25; 1Kor 1,25-29; 2Kor 10,4; Kol 2,3 und Phil 3,3-8 sorgfältig lesen.

Frage: Wie kann dieser individuelle Entwicklungsprozess zu einem stabilen, fest verankerten Glauben befördert, unterstützt, begleitet werden?

Steinmeister: Wir sollten alles prüfen und das Gute behalten, aber das heißt nicht, dass wir im Geist der Kritik erst einmal alles in Frage stellen, um so die Wahrheit zu finden. Das betende Lesen des Wortes Gottes und das Umsetzen in die Praxis bleibt immer noch die beste Voraussetzung für das Wachsen im persönlichen Glauben. Ein intensives Gebetsleben, ein stetes Erforschen der Gedanken Gottes in seinem Wort, der Austausch mit geistlichen Geschwistern und der rege Besuch der regelmäßig stattfindenden Bibel- und Gebetsstunden in der Woche, an denen junge und ältere Geschwister teilnehmen, sind gute Voraussetzungen dafür, dass auch junge Christen geistlich wachsen können.

Frage: Besteht bei einem Zulassen kritischen und grundsätzlichen Hinterfragens der Positionen der „Glaubensväter“ die Gefahr, dass man alles „über Bord wirft“? Die Aussteigerquote von Jugendlichen scheint mir gerade in streng konservativen Gemeinden recht hoch zu sein. Oder ist diese eher auf Diskussionsverweigerung zurückzuführen?

Steinmeister: Wer sich mit den Positionen der Glaubensväter aufrichtig auseinander setzt, wird erkennen, wie tief gegründet sie in der Wahrheit Gottes waren. Wenn man ihre Positionen in Frage stellt, sollte man das nach der Schrift tun. Ich persönlich kann mich bei allem Prüfen eigentlich nur ihren Überzeugungen anschließen. Ich habe in meiner Jugend nicht erlebt, dass man die Diskussion verweigerte, wenn ich die Älteren in angemessener Weise befragte. Im Gegenteil. Die Tatsache, dass junge Gläubige öfter aus „konservativen Gemeinden aussteigen“, ist meiner Ansicht nach noch nicht deutlich bewiesen. Andererseits ist unsere rasant zunehmende Spaßkultur und unsere christliche Wohlfühlgesellschaft sicher nicht wenig schuld daran, dass sich Jugendliche immer mehr zu einem „eventbezogenen christlichen Leben“ hingezogen fühlen. Wenn man von christlichen Rockkonzerten, Technokonzerten mit Superlightshows hört und nur noch Minimalpredigten angesagt sind, dann frage ich mich einfach: Was würde der Herr Jesus dazu sagen? Könnte Amos 5,23 die Antwort sein? Daher sind wir Erwachsene gefordert, entschieden und in Liebe, aber auch mit geistlicher Standfestigkeit fleischliche Trends zu demaskieren und Christus und sein Wort in die Mitte zu rücken. Nur wenn uns Gott dazu Gnade gibt, wird der Geist der Wahrheit uns alle bewahren können.

Andererseits ist auch deutlich zu erkennen, dass viele junge Gläubige entschieden dem Wort Gottes folgen wollen und das Mischmasch-Christentum verabscheuen.

Frage: Welche Rolle spielen glaubwürdige, positive Vorbilder für die persönliche Entwicklung der jungen Generation? Wie kann man da einen sinnvollen und konstruktiven „Transfer“ von Erfahrungen und Einsichten gestalten?

Steinmeister: Junge Leute brauchen zunächst den Herrn Jesus als das Vorbild. Junge Leute möchten allerdings auch in den Älteren die Gesinnung Christi erblicken. Das Glaubensleben der älteren Generation ist immer noch das Attraktive. Wir müssen den jungen Menschen Gottes Wort lieb machen, müssen ihnen den Eindruck geben, dass wir sie lieben und mit ihnen zusammen Gottes Wort lernen und ausleben wollen. Geheucheltes Christenleben ist absolutes Gift für junge Menschen. Wir sollten als etwas ältere Brüder und Schwestern auch bekennen, dass wir Schwächen haben und Gottes Hilfe wirklich täglich benötigen. Andererseits sollten wir auch deutliche Orientierung geben – und das bedeutet, dass wir nicht der jungen Generation nachlaufen, sondern den Herrn Jesus groß machen und konsequent zum Wort Gottes stehen.


Die Fragen stellte Ulrich Müller. Das Interview wurde im März 2005 geführt.
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