Rezensionen


August Jung:
Julius Anton von Poseck
Ein Gründervater der Brüderbewegung

Kirchengeschichtliche Monographien 9
Wuppertal (R. Brockhaus) 2002
173 Seiten. ISBN 3-417-29473-8. € 16,90


August Jung, Pastor i.R. der Freien evangelischen Gemeinden, veröffentlichte in den letzten Jahren wichtige Bücher über die Anfänge der Freikirchen. In seiner neuesten Untersuchung geht er einer Spur nach, die er schon in seinem Buch Als die Väter noch Freunde waren aufgegriffen hatte: der Biographie Julius Anton von Posecks (1816–1896), eines der Gründungsväter der Brüderbewegung. Er ist heute noch durch sein Lied „Auf dem Lamm ruht meine Seele“ bekannt.

Jung kann dank seiner Forschungen erstmals verlässliche Informationen zusammentragen und bisherige Ansichten korrigieren: Von Poseck stammte aus einer katholischen Adelsfamilie, wurde aber durch Familie und Schulausbildung stärker evangelisch geprägt. Seit 1840 war er mit pazifistischen Publikationen der englischen Brüderbewegung in Berührung gekommen, was zu seiner Verweigerung des Wehrdienstes und einer damit verbundenen Inhaftierung führte. Damals waren führende Militärs in England nach der Hinwendung zum „Brüdertum“ aus der Armee ausgetreten.

Von 1841 bis 1847 verliert sich die Spur von Posecks. Ab 1847 wirkte er als Jurist in Düsseldorf. Seine Bekehrung datiert auf das Jahr 1848, nicht früher, wie viele bisher vermuteten. Unter dem Einfluss von William Darby, einem Bruder John Nelson Darbys, übersetzte er viele Schriften des bekannteren Bruders ins Deutsche. Bald kam er auch – wohl als erster Deutscher – in brieflichen Kontakt zu John Nelson Darby, dem er allerdings in der Tauffrage widersprach. Ab 1851 gründete von Poseck erste Brüdergemeinden in Hilden, Haan, Benrath, Ohligs, Rheydt und anderen Orten, also schon vor den ersten „Elberfelder Versammlungen“ 1853 um Carl Brockhaus!

Erst durch von Poseck und seine „exklusiven“ Ansichten kam es nach Jung auch zu Spannungen im „Evangelischen Brüderverein“, die mit dem Ausscheiden von Carl Brockhaus und anderen im Dezember 1852 ihren Höhepunkt fanden. Seit Anfang 1853 lebte von Poseck in Barmen, also in unmittelbarer Nähe zu Brockhaus. Beide leiteten „Versammlungen“, der eine in Barmen, der andere in Elberfeld. Man muss daher für die Frühzeit der Brüderbewegung von zwei Strängen der Brüderbewegung sprechen: von der „Düsseldorfer Richtung“ um von Poseck und der „Elberfelder Richtung“ um Carl Brockhaus. Erst 1874 kam es zu einer Vereinigung beider Kreise.

Der hoch gebildete und mehrere alte und neue Sprachen beherrschende von Poseck arbeitete mit Brockhaus und Darby 1854 an der neutestamentlichen Übersetzung der „Elberfelder Bibel“. Dank seiner Vorbildung scheint er die Führungskraft im Übersetzerteam gewesen zu sein. Er dichtete zudem einige Anbetungslieder, die in verschiedene Gesangbücher aufgenommen wurden. Von Poseck ging allerdings schon 1857 – wohl auf Anraten Darbys und nach Konflikten mit Brockhaus – nach England, wo er in der dortigen Brüderbewegung als Prediger und Schriftsteller eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Im Streit um die Gemeinde „Park Street“ stellte er sich 1881 auf die Seite der Darby-Gegner (W. Kelly), ohne sich jedoch den Offenen Brüdern anzuschließen. Trotzdem hielt er seither wieder Kontakt zu vielen freien und freikirchlichen Kreisen in Deutschland, mit denen er schon vor seiner Hinwendung zum (exklusiven) Brüdertum verbunden war.

Minutiös ortet und sichtet Jung in seiner Monographie bisher unbekannte Dokumente aus verschiedenen Archiven, druckt gefundene Briefe und Berichte ab und belegt so im Detail seine neuen Entdeckungen. Er macht deutlich, dass es neben den „Versammlungen“ um Carl Brockhaus schon vorher die „Düsseldorfer“ Gruppe um von Poseck gab, denen quasi das „Erstgeburtsrecht“ der Brüdergemeinden zuzugestehen ist. Teile der Entstehungsgeschichte der deutschen Brüderbewegung müssen daher wohl neu geschrieben werden.

Stephan Holthaus

[zuerst erschienen in: Perspektive 10/2003, S. 31]


August Jung hat mit seinem Band über J. A. von Poseck seine Forschungen über die Anfänge der erwecklich-freikirchlichen Bewegungen fortgesetzt. Von Poseck ist der eigentliche Begründer der „exklusiven“ Brüderbewegung darbyscher Prägung. Sein Name ist manchen nur flüchtig bekannt, weil er in Gesangbüchern als Dichtername unter dem Lied „Auf dem Lamm ruht meine Seele“ steht. In Biographien über J. N. Darby und Büchern über die Brüderbewegung wird er genannt, spielt aber nur eine Nebenrolle, obwohl er in Düsseldorf einige Jahre, bevor Carl Brockhaus Gründer der „Christlichen Versammlung“ in Elberfeld wurde, die erste „Versammlung“ im Sinne Darbys schuf. An der Elberfelder Übersetzung der Bibel trägt von Poseck neben Darby und Brockhaus sicher den Hauptanteil. Für eine kurze Zeit gab es in Barmen und Elberfeld – damals noch zwei selbständige Städte – zwei verschiedene darbystische „Versammlungen“. In seinem Buch „Als die Väter noch Freunde waren“ schrieb August Jung: „Die ‚Elberfelder Brüder‘ verschwiegen und vergaßen geflissentlich von Posecks darbystische[s] „Erstgeburtsrecht“, nämlich seine zahlreichen ‚Gründungen‘ von darbystischen Abendmahlsgemeinschaften im Bergischen Raum[,] und machten ihn zur ‚persona non grata‘[,] während man andererseits Carl Brockhaus zum ‚Begründer des Darbysmus in Deutschland erklärte‘“ [49].

Hinzu kommt, dass viel Quellenmaterial und Hintergrundwissen unbekannt war, das der Vf. jetzt mit Fleiß und Akribie erschlossen und zusammengetragen hat. Dadurch kann er einmal sein eigenes Urteil über von Poseck im „Väter“-Buch korrigieren und mit falschen Angaben, etwa von Poseck sei katholischer Theologe gewesen, und fehlerhaften Behauptungen, die sich über eine rund 150-jährige Überlieferung gehalten haben, aufräumen. Zwar bleiben Lücken, weil Dokumente aus dem Privatarchiv Bister der freikirchlichen Forschung in krankhafter Selbstsucht immer noch vorenthalten werden. Aber diese Lücken scheinen schmal zu sein.

Auch die Menschlichkeiten verschweigt das Buch nicht, z.B. dass es trotz der Arbeitsgemeinschaft im Übersetzerteam der Elberfelder Bibel zu keinem herzlichen Verhältnis zwischen Carl Brockhaus und von Poseck kam, trotz beider engen Beziehungen zu Darby. Von Poseck wurde sogar von Carl Brockhaus aus der „Elberfelder Versammlung“ ausgeschlossen. Dem Vf. spürt man seine Entdeckerfreude an, als Pastor des Freien evangelischen Gemeinden ein „Außenstehender“!, wie von Poseck schon arbeitete, als Carl Brockhaus „noch positiv“, „mit ganzer Hingabe“ und „von ganzem Herzen“ im Evangelischen Brüderverein und für ihn arbeitete und ihn förderte. Ein Lob gebührt dem Brockhaus-Verlag für die Herausgabe dieses Buches, das sich mit seinem Gründervater kritisch auseinander setzt. Um der Geschichte willen ist es nötig!

Manfred Bärenfänger

[zuerst erschienen in: Freikirchenforschung 13 (2003), S. 220]

Lesen Sie auch unser Interview mit dem Autor des Buches.


Links zu weiteren Rezensionen dieses Buches:
• Wolfgang Bühne in fest und treu 4/2002

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