Geschichte: Deutschland (Teil 2)

Die Brüderbewegung im „Dritten Reich“

Gemeinsame Konferenz der ehemaligen "geschlossenen" und "offenen" Brüder am Buß- und Bettag 1937 in Berlin1937 wurden die „geschlossenen“ Brüderversammlungen überraschend verboten. Das NS-Regime glaubte, die „Brüder“ verweigerten die Mitwirkung am nationalsozialistischen Staat. Die staatlichen Stellen misstrauten zudem den fehlenden Strukturen, die die Kontrolle einer solchen Bewegung praktisch unmöglich machten. Um sich wieder versammeln zu können, musste man sich eindeutig zum Staat bekennen und sich eine neue Struktur mit Verantwortungsträgern geben, genannt „Bund freikirchlicher Christen“ (BfC). Diesem Bund schlossen sich 1937 auch die „offenen Brüder“ an, wodurch es zu einer weltweit einmaligen, allerdings kurzzeitigen Wiedervereinigung der beiden Brüdergruppen kam. Der BfC widersprach in seinem Selbstverständnis jedoch den bisherigen Überzeugungen der „Brüder“ und musste in gewissem Maße mit dem NS-Staat kooperieren. Er wurde auch nicht von allen Geschwistern mitgetragen; einige Brüdergemeindler verweigerten sich dem Bund und versammelten sich illegal. Diese sogenannten Nichtbündler mussten z.T. Haft- und Geldstrafen auf sich nehmen, fanden selbst aber größtenteils auch nicht zu einer ablehnenden Haltung dem Nationalsozialismus gegenüber.

Einige Jahre später, 1941/42, schloss sich der Bund freikirchlicher Christen mit den Baptistengemeinden zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) zusammen, um in schwerer Zeit die Einheit der Gläubigen auszudrücken. Aber auch dieser Zusammenschluss war von Anfang an nicht unumstritten.

Zusammenfassend lässt sich über diese Epoche sagen: Nur wenige Brüdergemeindler haben zum nationalsozialistischen Staat und seiner Ideologie eine deutlich ablehnende Stellung eingenommen. Auch in der sogenannten „Judenfrage“ hörte man innerhalb der Brüderbewegung praktisch keinen Protest gegen die staatlichen Repressalien. Die Phase des „Dritten Reiches“ war für die Brüderbewegung eine Zeit der Spannungen und Veränderungen.


Die Brüderbewegung nach 1945

Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Verbindung mit den Baptistengemeinden erwies sich schon 1945 als brüchig. So verwundert es nicht, dass sich einige Brüdergemeinden nach dem Krieg wieder vom Bund trennten und die Versammlungen gemeinsam mit den Nichtbündlern im Sinne der „geschlossenen Brüder“ weiterführten. Ab 1949 verließen eine Reihe weiterer Versammlungen den Bund, die Gruppe der sogenannten bundesfreien Brüder, die aber an der Abendmahlsgemeinschaft mit den Bundesgemeinden festhielt.

So gibt es seit dieser Zeit in Deutschland (wenn man die bereits in den 1890er Jahren abgespaltenen „Raven-Brüder“ außer Acht lässt) drei Hauptzweige am Baum der Brüderbewegung: die „geschlossenen Versammlungen“, die bundesfreie Brüdergruppe (auch „Freier Brüderkreis“ genannt) und die Brüdergemeinden im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, die sich 1980 zur „Arbeitsgemeinschaft der Brüdergemeinden“ zusammenschlossen. Seit Mitte der 1990er Jahre gab es zudem eine Lösung eines erheblichen Teils der „geschlossenen“ Brüderversammlungen, sodass man heute von vier Gruppierungen innerhalb der deutschen Brüderbewegung sprechen kann.


Veränderungen in der DDR

Bibelschule BurgstädtEine ähnliche Entwicklung war in der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR zu beobachten. Auch hier versammelten sich nach dem Krieg wieder einige Versammlungen im Sinne der Elberfelder Richtung, die allermeisten Gemeinden blieben jedoch im Bund. Gemeinde Jesu innerhalb des Sozialismus zu sein war kein leichtes Unterfangen. Die Übergriffe des Staates waren von Bezirk zu Bezirk allerdings unterschiedlich und auch nicht während der ganzen DDR-Zeit vorhanden. Trotz mancher Schwierigkeiten konnte die Arbeit weitergeführt und ausgebaut werden. Besonders die vielen „Rüstzeiten“ und eine ausgeprägte Freizeitarbeit stärkten die Gemeinden. Innerhalb des Bundes waren die Brüdergemeinden der DDR zudem sehr selbständig, hatten einen eigenen Bruderrat und eine eigene Verwaltungsstelle. Eine kleine Bibelschule in Burgstädt bei Chemnitz wurde gerne als Tagungs- und Schulungszentrum genutzt.


Wiedervereinigung

Durch den Fall des Eisernen Vorhangs konnten seit 1990 die Brüdergemeinden in Ost und West wieder zueinanderfinden. Zwar war der Kontakt auch während der DDR-Zeit nie abgerissen, nun konnte man aber wieder ohne Beschränkungen zusammenarbeiten. Nach und nach fand man auch Strukturen, um nun gemeinsam die Arbeit in Ost und West fortzusetzen.


Die Brüderbewegung heute

Mission und Evangelisation

Evangelisation der Barmer ZeltmissionVon Anfang an legten die Brüdergemeinden Wert auf Evangelisation und Mission. Frühzeitig wurden Missionare nach Ägypten, China und Osteuropa ausgesandt. Das Forum Wiedenest betreut heute über 135 Missionare in vielen Ländern der Welt. Auch die Gemeinden des Freien Brüderkreises und der „geschlossenen Brüder“ unterstützen Missionare in verschiedenen Ländern der Welt. Die Barmer Zeltmission ist seit Jahrzehnten mit ihren Zelten und Wagen unterwegs, um Menschen in die Nachfolge Jesu zu rufen. Enge Verbindungen gibt es auch zum Missionswerk Heukelbach. Durch die ausgeprägte Sonntagsschularbeit werden frühzeitig Kinder zum Glauben gerufen. Evangelistische Verteilblätter werden in großer Zahl unter die Leute gebracht. Bis heute ist der Ruf zur Umkehr und zur Entscheidung für Jesus Christus eines der Hauptkennzeichen der deutschen Brüderbewegung.


Diakonie, Alten- und Pflegeheime

Altenheim Friedenshort (Wuppertal)Glaube wird im Dienst am Nächsten konkret, in der Diakonie. Innerhalb der Brüderbewegung kam es frühzeitig zur Gründung von Kinderheimen für verwahrloste Kinder. Die Christliche Pflegeanstalt Schmalkalden-Aue für Behinderte, die Altenheime in Wuppertal-Ronsdorf (Friedenshort), Crivitz (Elim), Burbach-Lützeln, Netphen-Deuz, Bonn-Bad Godesberg (Bethanien) und Hohen Neuendorf (Emmaus) sowie das Diakonissen-Mutterhaus Persis sind nur einige Beispiele für ein weithin ausgeprägtes diakonisches Engagement der deutschen Brüderbewegung.


Die Zukunft der Brüderbewegung

160 Jahre Brüderbewegung in Deutschland: Wie geht es weiter? Die Herausforderungen der Gesellschaft sind heute nicht kleiner als vor 160 Jahren. Die Zeiten für eine bibeltreue Gemeindebewegung sind nicht leichter geworden. Auch haben manche Brüdergemeinden heute mit Problemen zu kämpfen.

Fest steht jedoch eins: Das Vermächtnis der Väter und Mütter des Glaubens der Vergangenheit bleibt: Wahre Gemeinde der Zukunft muss wie in der Vergangenheit bibeltreu, missionarisch und gemeindeorientiert sein. Der Blick nach oben zu Gott, nach außen zu den verlorenen Menschen und nach innen zu den Geschwistern der Gemeinde soll auch in Zukunft Brüdergemeinden ausmachen und bestimmen. Auch die „Einheit des Leibes“ soll nicht nur als Theorie bekannt sein, sondern praktisch gelebt werden. So haben die Brüdergemeinden auch im 21. Jahrhundert ihren klaren Platz. Die weltweite Gemeinde Jesu ist auf den Felsen Christus gebaut. Er wird sie bewahren und wachsen lassen.


Hier erfahren Sie mehr über die Anfänge in Irland und Großbritannien.


Dieser geschichtliche Überblick entstand ursprünglich für eine PowerPoint-Präsentation zur Jubiläumsveranstaltung „150 Jahre Brüderbewegung in Deutschland“ am 18. Oktober 2003 in Dillenburg. Text: Stephan Holthaus unter Mithilfe von Susanne Borner, Gerhard Jordy, Andreas Liese, Ulrich Müller und Michael Schneider.

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