Interview mit Willem J. Ouweneel (4)Der Lotse, der selber auf der Suche ist?
Frage: In Deutschland wurden Sie lange ausschließlich als konservativer Bruder wahrgenommen. Diese einseitige Wahrnehmung haben Sie eben korrigiert. Dann sah man in Ihnen jemanden, der ab Ende der 80er Jahre begann, Dinge neu zu durchdenken und kritisch zu hinterfragen. Diese Phase haben wir auch gerade besprochen. Einen Wendepunkt gab es in der deutschen Wahrnehmung dann aber 1998 mit dem „Nachtboek van de ziel“, dem Buch, in dem Sie Ihre Träume analysieren. Dieses Buch das nie auf Deutsch erschienen ist stieß auf starke Bedenken. Mancher dachte: Jetzt brechen bei ihm alle Dämme, jetzt geht er wirklich zu weit. Und während Sie mit „Sektiererei“ oder den Gladbecker Gesprächen vor allem die konservative Fraktion verärgert hatten, war hier ein Punkt erreicht, wo manche, die Ihnen bisher noch die Stange gehalten hatten, nicht mehr mitgehen konnten. Zum Beispiel erschien auch in „fest und treu“ ein deutlicher Verriss.
Ouweneel: Ja, aber das muss man psychologisch sehen. Zur Zeit der Trennungen haben holländische Brüder, besonders Taede Geertsma in Den Helder, alles, was in der Zeitung über mich stand (zum Teil kritische Artikel, aber auch unwichtige Dinge), ausgeschnitten und systematisch auf Französisch, Englisch und Deutsch verbreitet. Ohne Rahmen und ohne Zusammenhang klang der Inhalt, auch weil die Medien häufig überspitzt formulieren, meistens fürchterlich. Aufgrund dieser Berichte dachten viele, ich sei schon weit abgedriftet. Sie hatten ein gewaltiges Bedürfnis, ihre Position zu sichern, indem sie sagten: „Siehst du? Dieser Kerl ist das Schlimmste, schau mal, was der alles macht. Selbst die Zeitungen berichten darüber!“ Sie brauchten eine ständige Bestätigung, dass die Trennung zu Recht geschehen war. Ein liberaler Theologe sagte zum Beispiel einmal: „Warte mal ab, in 20 Jahren steht Ouweneel da, wo ich jetzt bin.“ Das war natürlich völliger Quatsch! Aber die Brüder haben das sofort übersetzt und in der Welt verbreitet: „Siehst du? Selbst die liberalen Theologen sehen schon, wo das mit Wim Ouweneel endet!“ In Deutschland wurde das natürlich von vielen mit Begierde aufgenommen, weil das alles eine Bestätigung für ihre Position war.
Und dann erschienen in „fest und treu“ und in „TOPIC“ Stellungnahmen zu meinem „Nachtboek van de ziel“, das die Leser dieser Artikel vermutlich nie zu Gesicht bekommen haben. Die „TOPIC“-Verantwortlichen hatten es nicht einmal selbst gelesen, sie haben nur veröffentlicht, was gewisse Brüder ihnen darüber erzählt hatten. Indem Aspekte isoliert herausgegriffen wurden, kam ein böses Bild zustande, denn kaum einer konnte oder wollte das Buch im Original lesen. Entscheidend war also, was über das Buch erzählt wurde. Mir wurde zum Beispiel vorgeworfen, dass ich Jungianer geworden sei, da ich auf C.G. Jung zurückgegriffen hatte. Viele deutsche christliche Traumbücher stützen sich auch auf Jung, aber die las man ja auch nicht. „TOPIC“ zufolge bin ich auch Barthianer.
Was „fest und treu“ betrifft: Dieser Anticharismatismus, die Anti-Haltung gegen ProChrist, gegen Willow Creek, gegen alles passte mir bei dieser Zeitschrift noch nie. Das zeugt von einem prophetischen Selbstbewusstsein, immer mit dem Finger zu warnen und darauf hinzuweisen, wo etwas schief läuft. Diese Suche nach negativen Dingen ist mir ziemlich zuwider! Als ob alle anderen naiv und blauäugig sind, und nur die Autoren von „fest und treu“ durchschauen alles.
Frage: Sie haben versucht, deutlich zu machen, dass Sie sich nicht unbedingt vom Konservativen zum Rebellen verändert haben. Sagen Sie auch noch in der Phase ab „Nachtbuch der Seele“ bis hin zu den Kontakten mit T.B. Joshua, dass sich Ihre Perspektive kaum geändert hat?
Ouweneel: Natürlich hat es neue Dinge gegeben. Schon vor Jahren habe ich meine Meinung über das Wählen geändert: Zuerst war ich dagegen, zu den Wahlen zu gehen, später habe ich das positiv bewertet. Ich stand sogar auf der Kandidatenliste einer kleinen christlichen Partei, aber so weit hinten, dass ich nicht wirklich gewählt werden konnte; ich wollte die Partei nur mit meinem Namen unterstützen. Das wurde hochgespielt; in Deutschland hieß es sofort, ich wollte Minister werden. Aber natürlich gab es auch andere Veränderungen: 1978 habe ich ein dickes Buch über Okkultismus veröffentlicht („Het domein van de slang“ [Der Bereich der Schlange]), in dem ich mich sehr verunglimpfend über Pfingstler und Charismatiker geäußert habe. Das bedaure ich inzwischen sehr, ich habe mich auch persönlich und öffentlich dafür entschuldigt. Das würde ich heute nie mehr so überspitzt formulieren. Bei einigen gelte ich aufgrund mancher Äußerungen inzwischen schon selbst als Charismatiker. Die starken Anticharismatiker können nur schwarzweiß denken. Tatsache ist, dass ich auch heute bei den Charismatikern nicht mit allem einverstanden bin; ich möchte nie in diese Schublade eingeordnet werden.
Frage: Wie schätzen Sie Ihre Vorbildfunktion ein? In dem neuen Kinofilm „Luther“ gibt es ein schönes Zitat (ich weiß nicht, ob es historisch verbürgt ist): „Ich bin kein Fixstern, ich bin ein wandernder Planet; und niemand sollte sich nach mir richten.“
Ouweneel: Ich habe den Film noch nicht gesehen, möchte es aber gerne noch tun. Wenn Luther das tatsächlich gesagt hat und es nicht nur eine Erfindung des Drehbuchautors ist, würde ich vermuten, dass er es nicht vollkommen ernst gemeint hat. Luther war ein sehr humorvoller Mann, der eher als Calvin den ich allerdings für den besseren Theologen halte zu relativieren wusste. Denn natürlich war Luther der Führer der lutherischen Kirche. Natürlich war er der entscheidende Mann hinter den Schmalkaldischen Artikeln von 1537 oder dem Augsburger Bekenntnis. Es war sein Anliegen, dass möglichst viele seine Sicht übernahmen. Vielleicht hat er mit dem Satz sagen wollen: „Liebe Leute, wir müssen selbst nachdenken!“ Diese Selbständigkeit war doch auch ein Hauptgewinn des Protestantismus. Er soll ja auch in Worms gesagt haben: „Wenn alle Päpste und Konzilien so sprächen, und ich lese in meiner Bibel so, dann halte ich mich zur Bibel.“ Dieser Ansatz gilt also konsequenterweise auch für seine Bücher und Äußerungen.
Für meine eigenen Bücher würde ich mir das Gleiche wünschen. Natürlich schreibe ich, um gelesen zu werden, in der Hoffnung, dass andere meine Erkenntnisse teilen. Ich würde aber immer betonen: „Folgt den Sachen, die Ouweneel schreibt, nicht blind, sondern überprüft das kritisch!“ Denn ich kann mich auch irren. Das ist doch auch ein Entwicklungsprozess. Wenn jemand sagt: „Du denkst jetzt ganz anders als vor 30 Jahren“, dann sage ich: „Zum Glück!“ Was sind das für Menschen, die nach 30 Jahren noch immer genauso denken wie damals? Das ist doch schrecklich! Dann hätte ich überhaupt keine Entwicklung durchgemacht! Wofür lebe ich, wenn ich überhaupt nicht mehr wachse? Manche sagen mir: „Aber wir haben den Ouweneel von vor 30 Jahren lieber“, dann sage ich: „OK, das ist eure Sache, das ist in Ordnung.“ Aber keiner kann mir Vorwürfe machen, dass ich mich geändert habe.
Ein vor kurzem emeritierter Professor der Theologie, ein feiner Christ, wir kennen uns gut, sagte einmal: „In meinem ganzen Berufsleben habe ich nur in zwei kleinen Dingen meine Ansichten ändern müssen.“ Das würde ich schrecklich finden, zwischen 20 und 70 überhaupt keine Fortschritte zu machen! Aber es gibt auch die umgekehrte Gefahr, die sehe ich eher bei mir selbst: diese Unruhe, immer nach neuen Erkenntnissen zu suchen und zu forschen, vielleicht zu schnell Ansichten zu ändern, um die Änderungen später wieder zu bedauern. Manchmal denke ich, ich hätte besser vor meinem 30. Geburtstag nichts veröffentlicht. Aber dann könnte ich genauso gut denken, ich hätte vielleicht besser vor meinem 50. Geburtstag nichts veröffentlicht. Und es ist auch spannend, im Nachhinein zu sehen, wie in diesen Büchern eine gewisse Entwicklung zu erkennen ist.
Es sind nur ganz wenige Dinge, die ich heute ganz anders sehe. Nehmen wir noch einmal das Beispiel mit dem Wählen: Früher war ich zu 40 % dafür und zu 60 % dagegen, jetzt bin ich zu 60 % dafür und zu 40 % dagegen. Ich fühle mich immer noch nicht so ganz wohl dabei. Selbst wenn es eine noch so christliche Partei ist, ein Widerwille gegen das ganze System bleibt. Aber viele Leute denken nur schwarzweiß und urteilen dann über mich, ich hätte mich um 180 Grad gewandelt. Nein, das habe ich nicht!
Frage: An Ihren Buchveröffentlichungen kann man ja auch verfolgen, wie Ihre Interessen sich entwickeln. Sie lernen neue Dinge kennen und beschäftigen sich eine Zeit lang damit; zum Beispiel haben Sie vor einigen Jahren mehrere Bücher zum Themenkreis Israel, Gesetz, messianische Juden usw. veröffentlicht. Dann kamen wieder andere Themen, mit denen Sie sich auseinander gesetzt haben.
Ouweneel: Ja, genau.
Frage: Der Eindruck, Sie seien wechselhaft, kann also auch darin begründet liegen, dass manche Leute diese Beschäftigung mit einem Thema nur für eine vorübergehende Phase halten, während Sie in Wirklichkeit durchaus nicht alle Ansichten über Bord geworfen haben, sondern sie nur nicht mehr weiter in Buchform ausarbeiten.
Ouweneel: Genau, das ist der springende Punkt! Ich habe mich bei bestimmten Themen einfach „ausgeschrieben“. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass ich sie später noch einmal aufgreife; ich besuche zum Beispiel noch immer messianische Gemeinden, und ab und zu predige ich dort. Aber damals war es etwas Neues, und wenn ich etwas durchdenken will (hier unter anderem unsere Haltung gegenüber der Thora), kommt bei mir ein Buch heraus! Aber ab einem gewissen Punkt habe ich es dann durchdacht, und dann ist es ein Stück meines Lebens geworden. Man entwickelt sich weiter, man entwickelt neue Interessen, aber das Bisherige bleibt auch bestehen!
Abgesehen vom Exklusivismus gibt es kaum Dinge, denen ich vollkommen den Rücken gewandt habe, mit denen ich nichts mehr zu tun haben will. Mit den Themen Geistesgaben und Wunderheilungen ist es jetzt genauso: Ich habe zwei Bücher darüber geschrieben, aber auch da kommt ein Punkt, an dem ich sage: OK, jetzt habe ich gesagt, was ich zu sagen hatte. Aber das Ergebnis des Nachdenkens bleibt! Es ist nicht so, dass ich nach drei Jahren alles zurücknehme. Einige behaupten, ich würde inzwischen alle meine Bücher bedauern. Das ist Quatsch! Das ist einfach Wunschdenken!
Frage: Ist Ihnen Ihre Brüdergeschichte („Het verhaal van de Broeders“) heute peinlich? In diesem Buch haben Sie ja Ende der 70er Jahre den „geschlossenen“ Standpunkt sehr engagiert verteidigt.
Ouweneel: Ja, sie ist mir schrecklich peinlich! Das hätte ich erwähnen sollen: Wenn es ein Buch gibt, das mir peinlich ist, dann sicher das. Nicht weil vieles sachlich nicht stimmen würde, sondern vor allem wegen meiner damaligen Beurteilung der „offenen Brüder“. Aber das Buch war sozusagen auch „His Master’s Voice“: Es war das Buch, das Heijkoop hätte schreiben wollen, wozu er aber nie gekommen war. Ich habe es dann anhand der von ihm gesammelten Vorlagen geschrieben. Das soll aber keine Entschuldigung sein ich war damals 34, da muss man doch ein bisschen selbständig denken können. Es ist also kein Vorwurf an Heijkoop, eher ein Vorwurf an mich selbst. Als Werner Mücher das Buch ungefähr zehn Jahre später ins Deutsche übersetzt hat, habe ich im letzten Augenblick die Veröffentlichung gestoppt. Ich fühlte mich nicht mehr wohl damit. Da zeigte sich auch eine neue Phase in meiner Entwicklung.
Frage: Es war also Ihre eigene Entscheidung, das Buch nicht auf Deutsch zu veröffentlichen? In Deutschland kursierte bisher eher das Gerücht, dass man Proteste der Raven-Brüder fürchtete auch wenn Sie einige Passagen über sie bereits abgemildert hatten.
Ouweneel: Es war meine Entscheidung; ich wollte nicht, dass das Buch in dieser Form herauskam. Das mit den Raven-Brüdern spielte sicher auch eine Rolle, war aber nicht das Entscheidende. Es gab mit ihnen eine Vereinbarung, vor eventuellen Neuauflagen Gespräche zu führen. In Holland gibt es nur einige wenige Raven-Brüder höchstens zehn, glaube ich; und die haben sich auch wieder geteilt. Schon Kelly sagte übrigens bei der Trennung, die ihn und Darby auseinander brachte, dass die „Brüder“ früher oder später zersplittern würden. Das sei ihr Geist. Die „exklusiven“ Kräfte in Deutschland werden es auf Dauer auch nicht miteinander aushalten können.
Frage: Aber gewisse Akzente würden Sie heute auch bei anderen älteren Veröffentlichungen anders setzen, oder?
Ouweneel: Ja. Das, was ich früher zu den Themen Geistesgaben und Wunderheilungen geschrieben habe, sehe ich jetzt ganz anders. Ich hatte damals Veröffentlichungen von Heijkoop und Jaap Fijnvandraat gelesen, die ich alle sehr überzeugend fand. Und dafür schäme ich mich heute auch nicht; damals habe ich das einfach so gesehen. Ich kann jetzt auch genau angeben, was ich damals falsch gesehen habe. Früher habe ich gedacht: „Es wird vermutlich wahr sein, dass Heilungswunder und Ähnliches nur im 1. Jahrhundert existierten.“ Aber als ich dann solche wunderbaren Dinge selbst erlebte, wurde mir klar: „Das war Quatsch, ich sehe es ja mit meinen eigenen Augen!“ Das ist eine neue Erfahrung, daraus folgt auch eine neue Art der Beurteilung. Ich habe es selbst gesehen, also kann es einfach nicht wahr sein, dass es nur für damals war.
Kennen Sie die Geschichte von Eta Linnemann? Sie war kurz zusammengefasst eine historisch-kritische, liberale Theologin; und als einmal jemand zu ihr sagte, dass es immer noch Wunderheilungen und Totenauferweckungen gebe, reagierte sie spontan: „Wenn das so ist, muss ich meine ganze Theologie umwerfen. Aber es ist nicht so.“ Sie hat diese Dinge anschließend untersucht und gemerkt, es stimmte doch. Und sie hatte den Mut, ihre ganze Theologie umzuändern. Anfang der 80er Jahre war sie in Holland, und ich habe sie zum Mittagessen eingeladen. Als sie mir ihre Geschichte erzählte, hatte ich ein etwas unbequemes Gefühl, das weiß ich noch. Als bibeltreuer Theologe hatte ich diese liberale Phase nie gehabt, aber ich rechnete ebenfalls nicht mit Wunderheilungen, wenn auch aus anderen Gründen: Sie hatte solche Heilungen für unmöglich gehalten; bei mir spielte eher die Überzeugung eine Rolle, Wunderheilungen habe es nur im 1. Jahrhundert gegeben. Aber es hat mich zum Nachdenken gebracht: Wenn diese Frau zu solch einer Veränderung gekommen ist, muss irgendetwas an meiner Theorie nicht stimmen. Schon 1994 habe ich daher in meinem Buch „Godsverlichting“ [Gotteserleuchtung] nuancierter argumentiert: Es gibt extreme charismatische Auffassungen, die man nicht annehmen kann (zum Beispiel: Gläubige brauchen nie krank zu sein, alle Krankheit kommt vom Teufel usw.), aber es gibt andere Einsichten, die man sehr wohl annehmen kann. Und was ich jetzt in meinem Buch „Geneest de zieken“ [Heilt die Kranken] geschrieben habe, ist eigentlich genau auf dieser Linie. Auch das ist also kein schlagartiges Umschwenken, sondern zeichnete sich schon in diesem Buch von 1994 ab.
Frage: In „fest und treu“ wurde 1998 der Vorwurf erhoben, Sie hätten in der Vergangenheit bloß theoretisches Wissen angehäuft, seien aber durch einen Mangel an eigenen persönlichen Erfahrungen mit Gott, vielleicht auch aufgrund einer Midlife-Crisis, für mystisch-charismatische Erfahrungen anfällig geworden. Ist da etwas dran? Sie sagten eben selbst, dass Sie ein Studierstubengelehrter seien. Und es mag durchaus zutreffen, dass man in den „Versammlungen“ zunächst und vor allem biblisches Wissen, Lehre, Theorien und Querverweise lernt. Die Predigten sind sehr theoretisch. Der Bezug zur Realität, eine Anleitung für die Schritte im täglichen Leben sind etwas unterentwickelt.
Ouweneel: Ja, es stimmt schon, dass die Theorie in der „Versammlung“ deutlich überwiegt. Im Liederbuch kommen zum Beispiel fast keine Lieder über Hingabe vor; im Mittelpunkt steht vor allem die Sehnsucht nach dem Kommen des Herrn. Das ist natürlich auch ein Stück Eskapismus: Man sehnt sich nach dem Kommen des Herrn, hat aber eigentlich keine Vorstellung, wie man es so lange hier aushalten soll. Man erträgt es, indem man regelmäßig zusammenkommt. Man versteht auch unter dem Reich Gottes immer nur das Tausendjährige Reich, aber man hat keine Vorstellung, was das Reich Gottes heute zu bedeuten hat. Da gibt es eine große Lücke.
Was meine Person und den „fest und treu“-Artikel betrifft: Das war reine Spekulation, das waren nur Vermutungen. Weder wurde dafür mein Buch sorgfältig gelesen (weil es nur auf Holländisch vorliegt) noch mit mir gesprochen. Der Autor wusste doch kaum etwas von mir, wir kannten uns nur von ein, zwei Freizeiten.
Frage: Existierte denn bei Ihnen eine Lücke in der Praxis, oder hatten Sie durch Ihre Tätigkeiten ausreichend Kontakt mit dem „wirklichen Leben“ gehabt?
Ouweneel: Ja, natürlich, mehr als die meisten deutschen Brüder. Aber warum gab Gott mir diese Träume gerade im Jahr 1995? Das war ja in dieser schwierigen Zeit der Trennungen. Das war ein wichtiger Wendepunkt nicht unbedingt in meiner Entwicklung, aber doch in meinem praktischen Leben. Schon menschlich ist klar, dass solche Ereignisse im Traumleben verarbeitet werden. Aber dann bekam ich Träume, die einen starken Eindruck auf mich machten. Gott führte es so zusammen, dass ich dann auf diesem psychotherapeutischen Kongress in der deutschsprachigen Schweiz Referenten kennen lernte, die über Träume sprachen. Daraufhin habe ich die ersten Bücher dazu verschlungen, und plötzlich sah ich, wie bedeutsam das Thema war.
Frage: Deuten Sie Ihre Träume noch immer?
Ouweneel: Ja, aber nicht mehr so stark wie damals. Damals habe ich das sehr konsequent betrieben, aber ab und zu habe ich immer noch das Bedürfnis, einen Traum jemandem zu erzählen (meist meiner Frau), wenn ich merke, dass er bedeutsam ist, und dann möchte ich gerne wissen, was er auszusagen hat. Als ich das letzte Mal bei T.B. Joshua war, sagte er mir, ich müsse mehr auf meine Träume achten. Das fand ich sehr interessant, und ich versuche das auch, weil Träume viel über das aussagen, was in unserem Inneren vorgeht.
Übrigens: Auch christliche Autoren haben oft auf Jungs Ideen zurückgegriffen, da er einfach viel zu dieser Thematik beigetragen hat, aber sie haben ihn „christlich übersetzt“ und in einen neuen Rahmen eingebettet. „fest und treu“ allerdings wirft Jung einfach in einen Topf mit Okkultisten.
Frage: Haben Sie das nicht früher auch getan? In dem Buch „Okkultismus und östliche Mystik“, das die Niederschrift eines Vortrags enthält, sagen Sie 1985, Jung sei „wahrscheinlich okkult belastet“ gewesen.
Ouweneel: Ja, OK, das stimmt.
Frage: Sie haben den nigerianischen Wunderheiler T.B. Joshua schon ein paar Mal erwähnt. Wie kamen Sie in Kontakt zu ihm? In den Niederlanden scheint er bekannter zu sein als in Deutschland.
Ouweneel: Ja, hier ist er zumindest unter den Christen recht bekannt, weil schon Hunderte von Holländern zu ihm gegangen sind und der Evangeliumsrundfunk und interessanterweise auch der sozialistische Rundfunk einige Male Exkursionen zu ihm gemacht haben. Es gab auch einige Fernsehausstrahlungen über ihn.
Die ersten Kontakte entstanden durch Josien, meine Tochter, die Joshua 2001 besuchte. Sie hatte ein Video von ihm gesehen und war so begeistert, dass sie als eine der Ersten zu ihm nach Nigeria geflogen ist. Auch andere sprachen begeistert über ihn. Ich war zunächst noch sehr kritisch und ablehnend; ich wusste nichts damit anzufangen. Doch im Februar 2002 sagte meine Tochter, T.B. Joshua habe ihr gesagt, sie solle ihren Vater mitbringen. Ich fragte: „Was hast du denn über mich erzählt?“ Sie sagte: „Überhaupt nichts, aber er hat gesagt: Dein Vater ist ein Mann mit Vision, und ich möchte ihn gerne einmal kennen lernen.“ Ich wehrte zunächst ab: „Aber das geht überhaupt nicht, das muss ich ein Jahr vorher planen“ usw. Kurz zusammengefasst: Zwei Wochen später saß ich im Flugzeug. Das hatte sich alles wunderbar ergeben. Fünf Tage war ich bei ihm und merkte, dass man sich nur über Videos kein richtiges Urteil über die Predigten und über die Heilungen, die da geschehen, bilden kann. Das muss man erlebt haben.
Meine wichtigsten Fragen waren natürlich: Was verkündigt er, wie ist sein Lebensstil, was sind die Folgen seiner Arbeit? Ich wollte wissen: Aus welcher Quelle stammt seine Wirkungskraft? Ich habe ca. 100 Predigten von ihm analysiert, ich habe ihn selbst sehr oft predigen hören, ich habe ausführlich mit ihm sprechen können. Ich war bis jetzt sieben Mal bei ihm, insgesamt mehr als zwei Monate. Deshalb kümmere ich mich kaum um das, was über T.B. Joshua im Internet steht, denn die meisten, die über ihn berichten, waren nie dort, man schreibt einfach voneinander ab. Es ist für Leute, die nie da gewesen sind, schwierig, die Angelegenheit zu beurteilen. Ein Mann aus Deutschland, den ich gar nicht kenne, war tatsächlich einmal in Nigeria und hat an einem Sonntag kurz an solch einer Zusammenkunft teilgenommen und später in Deutschland ein sehr negatives Urteil darüber abgegeben. Das macht es natürlich auch nicht einfach. Ich kann nur sagen: Ich war mehr als zwei Monate da, ich weiß, was er schreibt, ich weiß ganz genau, was er lehrt, ich weiß, wie sein Lebensstil ist, und ich weiß ganz besonders, was die Auswirkung seiner Tätigkeit ist.
Eine Studentin von mir hatte schon 15 Selbstmordversuche begangen; die letzten vier Jahre hatte sie in Anstalten verbracht. Die Ärzte hier, christliche und nichtchristliche, sagten: „Wir können nichts mehr für Sie tun. Sie müssen irgendwie versuchen, damit zu leben.“ Diese Studentin haben wir im Juni fast schon „notfallmäßig“ nach Nigeria geschafft. Selbst als sie da war, hatte sie noch Selbstmordneigungen, bis sie in der Zusammenkunft Fürbitte bekam. Und da war sie auf einmal schlagartig gesund, und das ist sie bis jetzt. Ich habe sie gestern noch gesehen, es geht ihr glänzend, sie schmiedet Zukunftspläne. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Es gab Menschen mit MS [multipler Sklerose] und ALS [amyotrophischer Lateralsklerose], die geheilt worden sind. Wir hatten ein junges Ehepaar in der Versammlung, das kurz vor der Scheidung stand, es sah hoffnungslos aus. Die beiden wurden in Nigeria wunderbar verändert. Das geschah fast schlagartig! Normalerweise würden wir sagen: Da sind viele, viele Gespräche nötig. Aber die hatten sie alle schon längst hinter sich! Wir haben es erlebt, wie Familien wiederhergestellt wurden, wie Leute zur Buße kamen, verborgene Sünden bekannten und geistlich wiederhergestellt wurden. Ich persönlich hatte sehr viel mit Erkältungen zu tun, fast die Hälfte der Zeit im Winter. Das ist fast ganz verschwunden; nur wenn ich besondere geistliche Spannungen habe, kommt das etwas wieder. Ich habe ganz persönlich eine geistliche Erneuerung erlebt, die sich jetzt auch auf andere auswirkt, die mich predigen hören oder in der Versammlung erleben.
Meine Tochter hat inzwischen zusammen mit meinem Schwiegersohn eine Fellowship gegründet, die ich, wenn ich in der Lage bin, sonntagnachmittags besuche. Da führen sie Leute zusammen, die Joshua besuchen wollen oder schon da waren. Das soll zu einer Gemeinde auswachsen, und vielleicht wird T.B. Joshua diese Gemeinschaft im kommenden Winter auch besuchen. Das wird sicher einen großen Wirbel geben.
Das ist also kurz zusammengefasst die Geschichte. Sie wird verdorben durch viele, viele negative Darstellungen. Aber mir ist Lukas 6,26 neu wichtig geworden: „Wehe dir, wenn alle Leute positiv von dir reden.“ Ich würde fast sagen: Wehe dir, Wim Ouweneel, es gab eine Zeit, in der die Deutschen nur positiv von dir redeten! Der Herr will damit sagen, dass ein Werk, das wirklich aus Gott ist, schrecklich angegriffen wird. In Johannes 7,12 heißt es, dass manche über den Herrn sagten: „Er ist gut“, andere sagten: „Nein, er verführt die Massen.“ Das ist allen großen Männern so ergangen, auch Darby und jetzt eben auch T.B. Joshua.
Frage: Früher vertraten Sie ja die Position, Heilungswunder seien nur zeitlich befristet zu Beginn der Gemeinde aufgetreten. Wie gelang es Ihnen denn, Ihre Skepsis zu überwinden, und wann fand Ihr Umdenken statt?
Ouweneel: Dass an sich die Möglichkeit zu solchen Wundern bestand, war mir interessanterweise schon klar. Es kamen auch einige Situationen zusammen. In derselben Zeit wie T.B. Joshua lernte ich Jan Zijlstra kennen, das ist der größte Heilungsdiener in Holland. Er verkündigt ein sehr gutes Evangelium, zieht Tausende von Leuten an, bei ihm geschehen wunderbare Heilungen, auch von „Versammlungsleuten“. Der nahm Kontakt mit mir auf. Innerhalb des gleichen Jahres lernte ich auch einen nigerianischen Evangelisten kennen, der mit einer deutschen Frau verheiratet ist und in Deutschland wohnt. Er ist ein guter Freund geworden, wir haben gute Kontakte aufgebaut. Und noch einige andere habe ich nahezu gleichzeitig kennen gelernt, zum Beispiel einen Mann aus Uganda und auch Bill Subritzky aus Neuseeland, ein Geschäftsmann, der in Neuseeland und Australien, aber auch in asiatischen Ländern dient. Fünf bis sieben Personen bin ich in derselben Zeit begegnet (ich habe das in „Geneest de zieken“ näher erläutert); da war also ein Plan des Herrn dahinter. So verschieden die Personen und ihre Methoden sind, alle verkündigten ein reines Evangelium.
Das Bedürfnis einiger Personen (zum Beispiel aus dem Umkreis von „TOPIC“ oder „fest und treu“; auch in Holland gibt es ein paar davon), alle über einen Kamm zu scheren und zu verurteilen, ist mir unverständlich, da mache ich nicht mit. Es hat mich geärgert, als ich herausfand, dass die scharfen Angriffe zum Beispiel gegen Reinhard Bonnke einseitige und bösartige Verunglimpfungen waren. Natürlich habe auch ich kritische Fragen; mir passt es auch nicht, wie manche der kritisierten Personen in der Öffentlichkeit auftreten. Bei Benny Hinn oder Rodney Howard-Browne kann man manches kritisieren oder Gefahren entdecken. Aber das ist ihre Verantwortung vor dem Herrn! Ich weiß, dass sie Gottes Wort verkündigen, das weiß ich aus persönlicher Überzeugung und Beobachtung, und im Übrigen überlasse ich sie dem Herrn.
Frage: Aber die Vorwürfe gegen T.B. Joshua, es steckten böse Kräfte hinter seiner Kraft oder er sei selbst im pfingstlerisch-charismatischen Lager nicht überall anerkannt, beruhen doch bestimmt auf irgendwelchen Anhaltspunkten?
Ouweneel: Das Letztere stimmt zum Teil auch: Er ist in Nigeria anfangs ganz separat seinen Weg gegangen, als Einzelgänger. Das hat auch Kritik ausgelöst, aber dass er in seinem Land einhellig abgelehnt wird, trifft nicht zu. Zum Teil wird bei diesen Vorwürfen auch Eifersucht eine Rolle gespielt haben. Ich frage mich aber selbst, ob sein Einzelgängertum weise war. Vielleicht hätte er sich zunächst an älteren, bewährten Heilungsdienern orientieren können (es gibt ja viele davon in Nigeria, es ist ein ganz merkwürdiges Land). Aber ich möchte da nicht in seine Berufung eingreifen. Ich habe sehr viele Veröffentlichungen aus Nigeria gelesen (die sind ja zum Glück meist in Englisch), um die Vorwürfe zu untersuchen. Der größte Vorbehalt ist in der Tat meist, dass er selbständig auftritt, dass er sich nicht anderen anschließt, was eigentlich ein bisschen unafrikanisch ist. Andererseits ist er mit seiner absoluten Herrschaft, mit dieser Oberhauptrolle über Zehntausende von Leuten wieder typisch afrikanisch. Das passt uns Westeuropäern auch nicht so, mir auch nicht! Aber gut, wir agieren hier einfach anders.
Meine Besuche bei ihm haben für mich viel Segen ausgelöst. Es ging mir darum zu klären: Ist das wirklich aus Gott? Was hat er zu sagen? Was macht er? Was sind die Auswirkungen? Und da bin ich nach meinen Untersuchungen völlig beruhigt. Meine kritischen Fragen beziehen sich auf ganz andere Dinge. Das habe ich in der Versammlung auch einmal öffentlich ausgesprochen, und jetzt behaupten manche, dass ich T.B. Joshua wieder völlig ablehnen würde. Das ist natürlich Quatsch, wenn man so etwas aufschnappt und sofort verabsolutiert.
Frage: Den Kontakt zu T.B. Joshua halten Sie also ganz bewusst noch?
Ouweneel: Ja klar, ich war im Juni noch da!
Frage: Wie fühlt man sich denn als westlicher, eher „verkopfter“ Christ in seinen Veranstaltungen, wo es nicht so ruhig und ordentlich zugeht wie in deutschen „Versammlungen“?
Ouweneel: Man darf nicht vergessen, dass es ein afrikanisches Land ist und auch viele Hexen und Zauberer in diese Zusammenkünfte geraten. Deshalb treten in Nigeria mehr Manifestationen auf bei Leuten, die böse Geister in sich haben, als es in Westeuropa der Fall wäre. Andererseits geschieht das auch bei Gläubigen aus dem Westen. Es ist da wie bei dem Mann in Markus 1, der vielleicht seit Jahren die Synagoge besuchte, und kein Mensch hatte je etwas Besonderes bei ihm festgestellt, bis der Herr Jesus zu dieser Synagoge kam. Die Dämonen hatten ein ruhiges Leben geführt, doch plötzlich fingen sie an, sich zu rühren. Dieses Phänomen lässt sich häufig bei westlichen Leuten beobachten, manchmal sogar bei Pfarrern oder anderen geistlichen Führern. Viele reisen an und ahnen vielleicht manchmal schon selbst, dass etwas los ist, und fangen an zu manifestieren, wie der Fachausdruck lautet, weil die Dämonen anfangen zu protestieren. Aber sie können dann auch befreit werden. Natürlich geschieht das nicht dauernd, aber es tritt auf, besonders bei Afrikanern. Wenn man nur einen Ausschnitt wahrnimmt, zum Beispiel nur die Videos kennt, und man sieht darin, wie Leute umfallen, und man sieht die Unruhe (was übrigens alles auch im Dienst unseres Herrn selbst auftrat!), bekommt man erst einmal einen unangenehmen Eindruck. Das ging mir mit den Videos auch so. Die haben in gewisser Hinsicht eine negative Auswirkung, weil man erst einmal stutzig wird: Was ist denn da los? Aber wenn man das Ganze ein bisschen besser versteht und es besser einordnen kann, merkt man, worauf es ankommt: dass Menschen befreit werden.
Wer negativ über einen Diener Gottes spricht, der weit weg wohnt, dem man nie begegnet ist, über den man sich nur über das Internet, über Gerüchte informiert hat, trägt eine große Verantwortung! Ich habe auch schon viel Dummes geschrieben, aber ich habe auch manches wieder berichtigt. Ich wüsste gerne, was ich in meinem Leben alles falsch gesehen habe; ich würde es gerne schon hier gerade rücken. Ohne eigene Erkenntnisse oder eigenes Erleben über andere Leute zu reden ist eine große Verantwortung. Ich habe das alles selbst erlebt. T.B. Joshua lud mich schon beim zweiten Besuch ein, selbst für die Kranken mitzubeten. Da habe ich mit eigenen Augen gesehen, wie westliche Leute, Europäer, sehr stark darauf reagierten, wenn noch verkehrte Mächte in ihnen waren, dass sie zu Boden fielen, aber befreit wurden. Das habe ich auch jetzt im Juni wieder erlebt.
Frage: Das heißt, Sie haben diese Heilungswunder selbst auch praktiziert?
Ouweneel: Ja, aber ich denke, wie es im charismatischen Jargon heißt, „unter T.B. Joshuas Salbung“. In Holland merke ich, dass die Wirkung viel weniger stark ist. Aber in Nigeria beten ja auch viele unter seiner Obhut mit, manche sind ständig da, die nennt er „Evangelisten in Ausbildung“. Und jetzt beginnt er, sie in andere afrikanische und europäische Länder auszusenden. Einer ist schon länger in Österreich tätig, wo auch eine Fellowship wie hier in Utrecht entstanden ist. Ab und zu lädt er Westeuropäer ein mitzuarbeiten, Leute aus dem Ausland, von denen er sieht, dass sie das in sich haben, dass sie so wie er es sagt „Männer Gottes sind“. Mich hat er, wie gesagt, auch eingeladen, und ich war selbst erstaunt über die Auswirkungen. Das hat mich schon ermuntert, das öfter zu tun! Ich habe jetzt immer Öl dabei, um für Leute zu beten und sie, wenn es sich so ergibt, zu salben. Oft tue ich das auch in Massengebeten. Wenn ich früher Vorträge über Heilungen gehalten habe, war es Theorie. Jetzt halte ich auch Massengebete, und da werden immer wieder Leute geheilt. Das ist nichts Besonderes. Es geschehen keine tollen Sachen wie auf den nigerianischen Videos, aber es werden immer wieder Leute geheilt. Oft höre ich im Nachhinein: „Von dem Augenblick an war ich frei.“
Frage: An irgendeiner Stelle sollen Sie behauptet haben, dass Heilungskräfte Gottes auch über das Fernsehen verbreitet werden können. Wenn man die Hand auf den Fernsehbildschirm lege, könne man selbst bei Videoaufzeichnungen gesund werden.
Ouweneel: Ich habe das selbst gesehen! Ich weiß, dass, wenn Videos von T.B. Joshua gezeigt werden und er im Video ein Gebet ausspricht und Leute das Gebet innerlich mitsprechen, sie im selben Augenblick geheilt werden können. Wenn jemand mir vor fünf Jahren so etwas erzählt hätte, hätte ich das nicht für möglich gehalten. Aber ich habe es selbst gesehen. Ich weiß nicht, wie ich das erklären kann, und ich habe Verständnis für jeden, der denkt, dass ich bekloppt bin. Das sehe ich vollkommen nüchtern; ich rege mich darüber nicht mehr auf, ich habe volles Verständnis dafür.
Frage: Ganz am Anfang des Gesprächs sagten Sie, dass Sie sich in bestimmten Phasen an bestimmten Vorbildern orientiert haben. Befinden Sie sich jetzt in der noch nicht abgeschlossenen T.B.-Joshua-Phase?
Ouweneel: Ja, aber dieser Fall liegt doch anders: Er ist 41 Jahre alt, ich bin 60. Das ist schon einmal eine ganz andere Ausgangssituation. Ich bin nicht mehr in der Lage, Nachfolger irgendeines Führers zu werden. Auf der einen Seite bin ich selbst vernünftiger geworden, man fällt nicht mehr so schnell auf etwas herein denn alle Gurus enttäuschen einen früher oder später; ich selbst bin als Guru für manche auch eine Enttäuschung gewesen, das ist nun einmal so. Auf der anderen Seite ist T.B. Joshua ein so einmaliger Mann mit einer so ungeheuren Begabung, dass man sicher davon beeindruckt wird. Und ich weiß auch von vielen geistlichen Führern aus Holland, die ihn aufgesucht haben, dass sie mit einer Ausnahme alle mit einer sehr positiven Bewertung zurückgekommen sind. Das sagt also schon etwas. Im September haben wir eine Zusammenkunft von Führern, die sich sehr für den Heilungsdienst interessieren, aber bis jetzt wenig Erfahrung damit haben. Die haben mich gebeten, einen Bericht über meine Erfahrungen in Nigeria zu geben. Aber natürlich gibt es auch hier Leute, die mit den idiotischsten Vermutungen kommen; in Deutschland ist das noch stärker ausgeprägt.
Frage: Ein Vorwurf lautet, Sie wollten jetzt die Brüderbewegung zu einer charismatischen Gemeinderichtung ummodellieren.
Ouweneel: Das ist Blödsinn. Ich habe, weil in meiner eigenen Gemeinde durch solche Dinge Unruhen entstanden, öffentlich erklärt, dass das überhaupt nicht meine Absicht ist. Aber auch da war ich vielleicht wieder etwas naiv: Als diese Erklärung im Gemeindeblättchen veröffentlicht wurde, ging das als Neuigkeit um die ganze Welt, und ich bekam E-Mails von Brüdern, von lieben Freunden, die sagten: „Oh, wir sind so froh, dass du das jetzt alles so deutlich abgelehnt hast.“ Was soll man darauf antworten? „Nein, es ist nicht ganz so schön, wie du denkst?“ Also, ich bin weder charismatisch noch anticharismatisch, das sage ich nach wie vor.
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